283 - Der Zorn der Königin
Eine davon hieß Rache. Rache für ihren toten Vater, der hinterhältig von Xijs Mutter und deren Bruder ermordet worden war. In manchen Nächten sehnte sie den Tag herbei, an dem sie die Bestie endlich auf die beiden loslassen konnte.
Doch im Augenblick war sie selbst noch die Gejagte: Der Onkel hatte ihr seinen Bluthund Thodrich auf die Fersen gehetzt. Bis zur Ostküste Schottlands war er ihr mit seinen Häschern gefolgt, und nur mit Matts und Aruulas Hilfe war sie ihm entkommen. Allerdings würde dieser Schlächter nicht aufgeben…
Xij fuhr sich unwillig mit der Hand über die Augen. Sie mochte jetzt nicht an diesen verfluchten Thodrich denken. Und auch mit Jed Stewart durfte sie sich nicht länger beschäftigen. Sie war sowieso nicht in der Verfassung, etwas mit ihm anzufangen. Viel wichtiger war das rote Pulver. Wann würden sie endlich aufbrechen?
Als ob der Himmel ein Einsehen mit ihr hätte, hörte sie plötzlich Matts Stimme: »Machen wir Schluss für heute, es ist schon spät. Morgen vor Sonnenaufgang machen wir uns auf den Weg.«
Xij atmete auf. In Landán würde sie auf jeden Fall an neues Pulver kommen. Jetzt konnte sie es riskieren, sich vom letzten Rest eine Prise zu genehmigen.
***
London
In den Katakomben des Londoner Bunkers herrschte reges Treiben. Rund zwei Dutzend Männer befreiten Gänge und Trakte vom Schlamm, während schnaufende Pumpen das Abwasser nach oben beförderten. Bei den Männern handelte es sich um Bewohner der Stadt, die sich den Bunkerleuten angeschlossen hatten. Sie waren die jahrelangen Kämpfe zwischen Lords, Taratzen und Technos leid und wollten, dass endlich wieder Frieden in Landán einkehrte. So legten sie all ihre Hoffnungen in die Demokraten, wie sich diese Splittergruppe der Technos nannte, und halfen ihnen bei der Trockenlegung des Bunkers.
Beaufsichtigt wurde das Ganze von Claudius Merylbone, ein hochgewachsener junger Mann um die zwanzig mit kahlem Schädel und eckigem Mund. Der Sohn des einstigen Befehlshabers der EWAT-Flotte war Techniker und Waffenexperte. In seinem Gesicht lag stets ein unwilliger Ausdruck und er ging nicht besonders freundlich mit seinen Mitmenschen um. Doch die Leute akzeptierten seinen rüden Umgangston. Der Kerl packte mit an und scheute nicht davor zurück, sich auch mal die Hände dreckig zu machen. Außerdem verstand er sich auf sein Handwerk. Jede defekte Maschine, jede verstopfte Turbine bekam er wieder flott.
Stets trug der hagere Mann ein beeindruckendes Laserphasengewehr und die Menschen fühlten sich sicher in seiner Nähe. Vor einigen Monaten hatte er mit Mars Hawkins und Valery Heath den bereits trockengelegten Trakt im westlichen Teil des Bunkers bezogen.
Die wesentlich ältere Valery Heath organisierte den Alltag im Bunker, sorgte für medizinische Versorgung, Nahrung und Kleidung und war die Verbindungsfrau zwischen Bürgern und Demokraten. Die über Achtzigjährige mit der bleichen Haut, den kurzgeschnittenen grauen Haaren und den samtig braunen Augen war allgemein beliebt. Einst war sie Octavian für Außenbeziehungen gewesen. Jetzt agierte sie als »Mutter von Landán«.
Um ein Kaliber ganz anderer Art handelte es sich bei Mars Hawkins. Mit seinen schulterlangen roten Locken, dem schön geschnittenen Gesicht und seinem stets zuvorkommenden Verhalten glich er einem Engel. Doch der Schein trog. Hinter der Fassade lauerte ein eiskalter Teufel. Nur unwesentlich älter als Merylbone, schaffte er es grundsätzlich, das durchzusetzen, was er wollte. Wenn es sein musste, auch mit Gewalt. Doch üblicherweise ließ er seinen Charme spielen. Selbstverständlich verschenkte er dabei kein Lächeln, kein freundliches Wort ohne Hintergedanken.
Selbst die Queen hatte er einst um den Finger gewickelt. Ihre Schwachstelle war die Eitelkeit gewesen - jedenfalls glaubte Mars das. Als er ihr damals den Hof machte, fühlte sich die knapp Fünfzigjährige(bei einer Lebenserwartung von rund 140 Jahren ist das für Technos noch relativ jung) geschmeichelt. Sie vergnügten sich viele Wochen miteinander und Mars Hawkins sah sich schon als zukünftigen Befehlshaber an ihrer Seite.
Doch als sie nach ihrer Flucht aus Landán Sir Gabriel beim Bau des Zweimasters halfen, schwächelte die Lady bereits. Sie hielt die Fremde und Kälte nicht aus. Nur um zu sehen, ob noch irgendetwas zu holen war, kehrte er damals mit ihr in den Bunker zurück. Dort gerieten sie in die Gefangenschaft der Lords. Nachdem diese Bastarde mit der Königin fertig waren,
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