2887 - Der Tod gab mir die Hand
auf das Eintreffen des Zuges. Im richtigen Moment auf die Gleise schubsen, überlegte der Franzose. Das wäre eine Möglichkeit.
Vielleicht hätte er das auch getan, wenn sich nicht eine lärmende Schülergruppe zwischen Lester Hoblit und ihn gedrängt hätte.
Der einfahrende Zug schob ein warmes, feuchtes, modrig riechendes Luftkissen vor sich her. Der Zug kam zum Stehen. Gedränge. Mürrische Gesichter. Die einen wollten raus, die andern rein. Der Mann aus Marrakesch arbeitete sich näher an Lester Hoblit heran. Er betrat mit ihm den Waggon.
Hoblit hatte zum letzten Mal in seinem Leben Glück. Er ergatterte einen Sitzplatz, von dem er sich allerdings nicht mehr erheben würde.
Die Türen schlossen sich. Der Zug fuhr weiter. Lester Hoblit entfaltete ein Finanzblatt und begann sich zu informieren, obwohl er daraus keinen Nutzen mehr würde ziehen können, denn es befanden sich nur noch ganz wenige Körnchen in der Sanduhr seines Lebens.
Drei Stationen weiter stieg Alain Hosse aus und ließ einen toten Mann zurück. Erledigt mit einem sauberen Herzstich, den niemand mitbekommen hatte.
***
Sie trafen sich auf der Fähre, die die Touristen nach Liberty Island zur Freiheitsstatue brachte. Alain Hosse lehnte an der Reling und sah geistesabwesend ins Wasser. Die Bugwellen hatten weiße Kämme.
Jemand trat neben den Mann aus Marrakesch und sagte: »Ist immer wieder ein faszinierender Anblick, die Skyline von Manhattan, nicht wahr?«
Hosse hob den Blick. »In der Tat, sehr beeindruckend«, gab er zurück. Er richtete sich auf, drehte sich nach links und sah Willard Banks direkt in die Augen.
»Wie du Lester Hoblit erledigt hast, das war ganz große Klasse«, sagte Willard Banks. »Hervorragende Arbeit, das muss ich schon sagen. Das macht dir so bald keiner nach. Ich bin hochzufrieden.« Er schmunzelte. »Ich wusste, warum ich dich aus dem viel zu frühen Ruhestand zurückgeholt habe.«
»Freut mich, dass du zufrieden bist, Willard«, bemerkte Hosse deutlich unterkühlt. »Dann ist es wenigstens einer von uns beiden.«
Banks musterte den Franzosen verwundert. »Bist du’s etwa nicht?«
»Ich möchte, dass du Zoe und Kitty in Ruhe lässt, Willard.« Hosse kniff die Augen zusammen. »Deine räudigen Köter treiben sich permanent in ihrer Nähe herum. Ich möchte das nicht, Willard.«
Banks setzte zu einer Entgegnung an. »Alain …«
»Ich hab sie gesehen«, fiel ihm der Killer barsch ins Wort. »Ich will, dass du sie zurückpfeifst, dass du sie abziehst, dass du sie heimholst und in den Zwinger sperrst.«
Es zuckte in Banks’ Gesicht. Er mochte diesen bestimmenden Ton nicht. Er war kein kleiner Befehlsempfänger. Er war Willard Banks. Niemand durfte so mit ihm reden. Niemand außer Alain Hosse. Von dem ließ er es sich gefallen, musste er es sich gefallen lassen.
Aber es missfiel ihm. »Meine Männer halten sich zu Kittys und Zoes Schutz in ihrer Nähe auf«, behauptete er.
»Zu Kittys und Zoes Schutz.« Hosse spuckte ins Wasser. »Dass ich nicht lache. Du willst mich damit unter Druck setzen. Ich soll wissen, dass sie in Gefahr sind, falls ich nicht richtig spure. Aber da spiele ich nicht mit. Ich mache so lange nicht weiter, bis ich keinen deiner Leute mehr in Zoes und Kittys Nähe sehe.«
Banks hätte den Franzosen am liebsten gepackt und über Bord geworfen. Der Mistkerl hatte überhaupt keinen Respekt vor ihm. Er atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen.
Alain Hosse starrte ihm eiskalt in die Augen. »Wenn deine Hampelmänner nicht heute noch verschwinden, kann ich für nichts garantieren.«
Ein Ruck ging durch Willard Banks. »Was willst du damit sagen?«
»Dass ihnen etwas sehr Schlimmes zustoßen könnte«, antwortete der Mann aus Marrakesch mit dünnen Lippen. »Dass du sie verlieren könntest. Das will ich damit sagen.«
»Mit anderen Worten …«
»Mit anderen Worten, ich leg die Scheißkerle um, wenn du sie nicht unverzüglich abziehst«, machte Hosse dem Drogenbaron unmissverständlich klar.
»Ruf sie an!«, sagte Hosse. »Jetzt! Sag ihnen, sie sollen nach Hause gehen. Du rettest ihnen damit das Leben.«
Willard Banks bequemte sich endlich, sein Smartphone aus der Tasche zu holen. Er wählte eine Nummer und sprach mit einem der beiden Männer, die auf Zoe und Kitty Hoffa aufpassten. »Euer Job hat sich erledigt«, sagte er. »Zieht euch zurück. Ihr braucht euch nicht weiter um die beiden zu kümmern.« Nach dem Anruf steckte er sein Mobiltelefon wieder ein, sah den Franzosen
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