2889 - Schüsse aus dem Nichts
Zeit. Wir stecken mitten in einer Mordermittlung, Kea Swanson wurde nämlich erschossen.«
Es entstand eine kleine Pause, bevor die Frau weiterredete.
»Nun – das ändert die Lage. Miss Swanson war offenbar alleinstehend, sie hat auch keine lebenden Verwandten. Daher wüsste ich nicht, wer gegen die Herausgabe der Akte Einspruch erheben könnte.«
»Das ist sehr entgegenkommend von Ihnen, Miss. Vielleicht kann ich mich mit einem Drink revanchieren?«
Die Angestellte kicherte wie ein Teenager.
»Das wird sich zeigen, Agent Decker. Ansonsten freuen wir uns natürlich, dem FBI helfen zu können. Ich schicke Ihnen die Datei gleich rüber.«
Die Lady vom Brooklyn Medical Center hatte nicht zu viel versprochen. Schon wenig später bekam Phil eine E-Mail mit der angehängten Patientenakte. Ich klopfte meinem Freund auf die Schulter.
»Lässt du deinen Charme jetzt auch schon am Telefon spielen?«
»Die Lady hatte eine nette Stimme, Jerry. Ich bin gespannt, wie sie aussieht. Außerdem haben wir ja wirklich keine Zeit. Mit jeder Minute, die verstreicht, vergrößert sich der Vorsprung des Mörders.«
Damit hatte mein Freund natürlich vollkommen recht. Gespannt öffneten wir die Patientenakte.
Vor einem halben Jahr war bei Kea Swanson ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen worden. Über den mutmaßlichen Kindsvater stand nichts in den Unterlagen. Doch stattdessen erfuhren wir einiges über die Herkunft unseres Mordopfers.
Kea Swanson stammte aus Wisconsin. In dem ländlichen US-Bundesstaat war sie in einem Kinderheim aufgezogen worden. Mit Eintritt der Volljährigkeit war sie nach New York gegangen. Einen Schulabschluss hatte sie nicht, jedenfalls stand darüber nichts in der Akte.
Was hatte Kea Swanson in den vergangenen Jahren getrieben? Womit hatte sie ihren Lebensunterhalt verdient? Sie hatte vor ihrem Tod recht gut ausgesehen. Ob sie sich prostituiert hatte? Ich führte mir vor Augen, dass sie mit der verschwundenen Ann Swift eine gewisse Typähnlichkeit besaß. Phil grinste.
»Diesen Gesichtsausdruck von dir kenne ich, Jerry. Du hast eine Idee, nicht wahr?«
»Ja, vielleicht. Was wissen wir eigentlich über die Herkunft von Ann Swift?«
»Nichts. Dieser verflixte Boxer Jerome Feathers ist ja nicht gerade auskunftsfreudig. Aber ich nehme auch an, dass er nicht viel über sie weiß. Es hat ihm wahrscheinlich gereicht, dass sie gut aussah und auf ihn geflogen ist.«
»Lass uns den Boxer für den Moment ausklammern, Phil. Kea und Ann könnten ungefähr gleich alt sein, oder? Woher wissen wir, ob Ann Swift nicht ebenfalls aus Wisconsin stammt und im Waisenhaus erzogen wurde? Wenn sich die beiden Frauen kannten, würde der Fall eine ganz andere Wendung nehmen.«
Phil pfiff anerkennend durch die Zähne.
»Allerdings. Aber das muss sich ja recht einfach herausfinden lassen.«
***
Mit Feuereifer machten wir uns an die Arbeit. Normalerweise ermitteln wir nicht gerne vom Schreibtisch aus, aber momentan hatten wir keine andere Wahl. Bevor wir in New York den Mörder jagen konnten, mussten wir die Hintergründe des Falles in Wisconsin erfahren. Und das ging nun mal am schnellsten per Telefon.
Ich wurde in der zentralen Sozialbehörde von Wisconsin mehrfach weiterverbunden und hatte schließlich eine gewisse Jane Lincoln am Apparat. Miss Lincoln war Sozialarbeiterin und für die Heimunterbringung von Mädchen zuständig.
»Ja, ich erinnere mich an Kea Swanson, Agent Cotton. Leider wundert es mich überhaupt nicht, dass ich vom FBI wegen dieser jungen Frau angerufen werde. Was wird ihr denn zur Last gelegt?«
»Gar nichts, Ma’am. Kea Swanson ist tot, sie wurde hier in New York City ermordet.«
Die Frau am anderen Ende der Telefonleitung atmete hörbar durch.
»Das tut mir sehr leid, Agent Cotton. Doch leider muss ich sagen, dass es mich nicht wirklich wundert. Kea war schon als dreizehnjähriges Mädchen leicht zu beeinflussen. Sie geriet schnell in schlechte Gesellschaft und ließ sich zum Drogenkonsum verleiten. Wir haben versucht, sie auf den richtigen Weg zu bringen. Aber leider sind wir damit gescheitert. Wir tun, was wir können. Doch manchmal ist das nicht genug. Kea hatte einen fatalen Hang zu den falschen Freunden.«
»Sie haben Kea Swanson auch persönlich gekannt, Miss Lincoln?«
»Ja, sie war einer meiner Schützlinge. Warum fragen Sie, Agent Cotton?«
»Hatte sie damals schon diese Tätowierung mit dem Dolch und der Rose am linken Handgelenk?«
»Ja, allerdings. Wahrscheinlich war es ihre
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