2898 - Leichen brauchen kein Alibi
öfter jemanden in Rikers besucht. Und wenn er von der Gefängnisinsel zurückkehrte, war er immer ziemlich durch den Wind.«
***
Nancy Mitchell konnte uns nicht sagen, wen Jake Reed in Rikers aufgesucht hatte. Aber das ließ sich ja anhand der Besucherbücher der Gefängnisverwaltung überprüfen.
Wir beendeten das Verhör zunächst einmal. Falls wir ihr den Mord nicht nachweisen konnten, würde sie wohl beim Haftprüfungstermin auf freien Fuß gesetzt werden. Ihre Tätigkeit als Prostituierte konnten wir ihr nicht nachweisen. Und ob ihre Verbindung zu dem flüchtigen Gewaltverbrecher Pete Ruggles bestraft werden konnte, überließen wir den Leuten des Bezirksstaatsanwalts.
Phil klang jedenfalls überhaupt nicht zufrieden, als er sich später in unserem Office in seinen Bürostuhl fallen ließ.
»Für mich ist diese Nancy Mitchell so schuldig, wie man es nur sein kann, Jerry. Aber sie ist gerissen, sie lässt sich nicht festnageln.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, kam ein Anruf von unseren FBI-Kollegen aus Philadelphia. Agent Francis Beacon war am Apparat.
»Vielen Dank für das Foto von diesem Pete Ruggles, Jerry. Wir haben es mit den Überwachungsbändern der Highway-Tankstelle verglichen. Der Knabe hat wirklich zur fraglichen Zeit Montagnacht dort seine Karre vollgetankt und sich einen Schokoriegel gekauft. Ich hoffe, damit konnten wir euch weiterhelfen.«
»Wie man es nimmt. Vielen Dank, Francis.«
Ich legte den Hörer wieder auf. Phil, der über Lautsprecher mitgehört hatte, machte ein langes Gesicht.
»Da hat doch dieser Ruggles wirklich nicht gelogen, Jerry. Das hätte ich nicht gedacht. Dann muss sein Goldschatz geschossen haben. Wir müssen irgendwie einen Zeugen auftreiben. Vielleicht hat sie ja doch jemand in der Tatnacht in der Nähe der Bedford Avenue gesehen.«
»Ja, das wäre gut. Aber lass uns zunächst mal herausfinden, was Jake Reed so oft in Rikers gewollt hatte.«
»Vielleicht sehnte er sich ja nach seiner alten Zelle zurück«, witzelte Phil düster. Mein Freund hatte mit diesem Satz wahrscheinlich nur scherzen wollen. Und doch enthielt er einen wahren Kern, wie wir nach unserer Ankunft auf der Gefängnisinsel im East River feststellten. Wir ließen uns in der Verwaltung das Besucherbuch vorlegen.
»Jake Reed hat immer nur diesen Rick Parker sehen wollen«, stellte ich fest. »Da fragt man sich doch, was diese beiden Männer verbunden hat.«
Adam Clark war der Leiter des Wachpersonals in dem Block, wo dieser Rick Parker seine lebenslängliche Haftstrafe wegen Mordes verbüßte. Wir redeten zuerst mit Clark, bevor wir den Gefangenen in den Besucherraum führen ließen.
Der Oberaufseher war ein kräftiger ernster Mann.
»Normalerweise stecken wir die Lebenslänglichen nicht mit anderen Gefangenen zusammen, die kürzere Haftzeiten verbüßen. Aber als Jake Reed hier einsaß, hatten wir mit starker Überbelegung zu kämpfen. – Und er ist also erschossen worden, Agents?«
Ich nickte.
»Wir untersuchen seinen Tod. Könnten Sie sich vorstellen, wer ihn umgebracht hat, Senior Officer Clark?«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
»Sam Stanton wäre meine erste Wahl. Als Reed hier in Rikers einsaß, konnten er und Sam Stanton sich gegenseitig nicht ausstehen. Unter Gefangenen reicht manchmal eine Kleinigkeit, um einen Gewaltexzess hervorzurufen. Da muss nur ein falsches Wort fallen, und schon dreschen sie beim Hofgang aufeinander ein. Die Insassen wollen einfach ihren Frust aneinander abreagieren. Oder am Wachpersonal. Aber wir sind auf der Hut.«
»Sie haben einen harten Job, daran gibt es keinen Zweifel. Reed und Stanton waren also Rivalen?«
»Ja, Agent Cotton. Dabei hat allerdings Reed meiner Meinung nach immer die unterlegene Rolle gespielt. Er hat Stanton gehasst, konnte ihm aber nicht das Wasser reichen. Reed war nicht stark und vielleicht auch nicht bösartig genug. Aber Stanton kann Ihr Mordopfer nicht umgebracht haben.«
»Weil er noch hier bei Ihnen im Block sitzt?«, vermutete Phil.
»Richtig, Agent Decker. Und das wird auch noch ein paar Wochen lang so bleiben. Stanton hat sich in letzter Zeit wirklich zusammengerissen. Früher gab es dauernd Ärger mit ihm, bei Zelleninspektionen fanden sich Drogen und verbotene Gegenstände. Und wegen Gewalttaten hat er mehr als einmal in Einzelhaft gesessen. Deshalb hat sich seine Haftzeit immer mehr in die Länge gezogen, weil es noch zusätzliche Verurteilungen gab. Aber seit ungefähr einem halben Jahr ist
Weitere Kostenlose Bücher