2898 - Leichen brauchen kein Alibi
in Einzelhaft verlegt. Wenig später war dann Jake Reeds Haftentlassung. Der Weichling zeigte sich sehr erleichtert, weil er nun nicht mehr im harten Alltag von Rikers bestehen musste. Aber wenig später begann er dann mit seinen regelmäßigen Besuchen bei mir.«
»Hat Sie das überrascht?«
»Ehrlich gesagt schon, Agent Cotton. Wir waren ja nicht gerade die besten Freunde gewesen. Und ich war auch nicht Reeds Liebhaber, falls Sie das denken. So einer bin ich nämlich nicht. Er hat sich nur bei mir eingeschleimt, weil ich ihn vor Sam Stanton und anderen rabiaten Kerlen beschützen konnte. Aber sehr bald wurde mir klar, weshalb Reed mich so oft besucht hat.«
»Machen Sie es nicht so spannend, Parker«, knurrte Phil.
»Reed erkundigte sich immer wieder nach Sam Stanton. Seine größte Angst war offenbar, dass Stanton vorzeitig aus der Haft entlassen oder gar vom Gouverneur begnadigt wird. Wie gesagt, hier in Rikers funktioniert der Informationsaustausch erstklassig. Falls es Neuigkeiten in der Richtung gibt, hätte ich sie erfahren. Also musste Reed mich immer wieder als Informationsquelle anzapfen. Außerdem wollte er wissen, mit wem Sam Stanton sich außer ihm selbst noch angelegt hat. Ich vermute, dass Reed auf der Suche nach dem passenden Killer war, der seinem Erzfeind eine angespitzte Zahnbürste in die Nieren rammt.«
Der Gefangene verstummte. Er grinste still vor sich hin. Parker hatte uns noch nicht die ganze Wahrheit gesagt, das spürte ich deutlich.
»Da gibt es doch noch eine Sache, die Sie uns verschweigen«, sagte ich ihm auf den Kopf zu.
Parker lachte.
»Ihnen kann man nichts vormachen, Agent Cotton. Ich habe ja schon gehört, dass die Boys vom FBI auf Zack sind. Das scheint wohl wirklich zu stimmen. – Ja, ich habe noch nicht alles gebeichtet. Ehrlich gesagt ging mir Reed mit seinem ewigen Gerede über Sam Stanton gewaltig auf den Wecker. Also habe ich mich irgendwann dazu hinreißen lassen, Stanton einen Tipp zu geben.«
»Sie meinen …«, begann ich, aber der Häftling fiel mir ins Wort.
»Ganz genau, Agent Cotton. Ich habe Stanton gesagt, dass Jake Reed hier in Rikers einen Killer auf ihn ansetzen will.«
***
Diese Neuigkeit mussten wir erst einmal verdauen. Ich beriet mich mit Phil, nachdem Parker in seine Zelle zurückgeschafft worden war. Wir wussten ja, wo wir ihn finden würden, falls wir noch mehr Fragen an ihn hatten.
»Das ist ja unglaublich, Jerry. Das Mordopfer wollte anscheinend selbst ein Tötungsdelikt in Auftrag geben. Das wäre ein perfektes Motiv für diesen Sam Stanton, um Reeds Lebenslicht auszulöschen. Aber er hat ein perfektes Alibi, denn ausgebrochen ist er offenbar nicht. Und seine Haftentlassung steht noch bevor.«
»Das stimmt, Phil. Aber auch Sam Stanton hat seine Verbindungen in die Außenwelt. Lass uns den Knaben mal unter die Lupe nehmen. Vielleicht verrät er sich durch seine Reaktionen selbst.«
»Gute Idee, könnte glatt von mir stammen.«
Wir baten den Oberaufseher Adam Clark, Sam Stanton in den nun leeren Besucherraum schaffen zu lassen. Wenig später brachten zwei Uniformierte vom Wachpersonal den Verdächtigen herein. Der Gefangene war ein Weißer mit unnatürlich blasser Hautfarbe.
Sam Stanton war so groß, dass sein rasierter Schädel kaum durch den Rahmen der Stahltür passte. Er gehörte offenbar zu den Häftlingen, die sich die Zeit hinter Gittern mit ausgiebigem Krafttraining vertrieben. Er war ein bulliger Kerl, der mit seinem Aussehen kleine Kinder hätte erschrecken können. Aus seinem vernarbten Gesicht blickten uns seine Augen heimtückisch an. Aber das beeindruckte uns überhaupt nicht.
»Ihr habt FBI-Dienstmarken? Was wollen die Feds von mir?«
»Setzen Sie sich, Stanton«, erwiderte ich und stellte Phil und mich vor.
»Können Sie sich vorstellen, warum wir zu Ihnen gekommen sind?«
»Was soll das werden, Agent Cotton? Eine verfluchte Quizshow? Okay, meinetwegen. Ich bin ganz Ohr.«
Stanton gab sich lammfromm, obwohl er seinen Widerwillen gegen G-men nur schwer verbergen konnte. Aber ich führte mir vor Augen, dass seine Haftentlassung schon sehr bald bevorstand. Wenn er beleidigend wurde und uns gegenüber den wilden Mann spielte, würde sich seine Freilassung unweigerlich in die Zukunft verschieben. Und das wollte er offenbar nicht riskieren.
Also ließ er sich brav auf den Stuhl fallen. Phil und ich saßen ihm am Tisch gegenüber.
»Agent Decker und ich untersuchen den Tod von Jake Reed. Ich nehme an, der Name sagt
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