2x Professor Manstein
der Betrag der Lichtgeschwindigkeit vor geraumer Zeit noch richtig bekannt war. In einer etwa sechs Jahre alten Zeitung fand er die Notiz, daß es einem amerikanischen Wissenschaftler gelungen sei, bei einer mit modernsten Mitteln durchgeführten Messung einen neuen Betrag dieser Geschwindigkeit herauszufinden. Die- Zeitung gab an, daß der Versuch des Amerikaners in den darauffolgenden Monaten mehrfach wiederholt worden sei und daß man dabei die gleichen Meßergebnisse bekommen habe.
Manstein stellte Nachforschungen nach diesem ominösen Amerikaner an – gelangte jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt, von dem aus alle Wege in die Dunkelheit liefen. Der Journalist, der den Bericht verfaßt hatte, hatte seine Kenntnisse von einem anderen Journalisten bezogen, an den er sich kaum mehr erinnern konnte. Nachdem es ihm in mehrstündigem Nachdenken gelungen war, die Adresse dieses anderen Journalisten aus seinen Akten hervorzukramen und Manstein sich mit diesem Mann in Verbindung gesetzt hatte, erfuhr er auch dort-, daß der Mann den Bericht nicht aus erster Hand erhalten hatte. Manstein gab es auf, diesen Weg weiterzuverfolgen.
Jeden Tag – normalerweise nach dem Mittagessen – erhielt er einen Anruf von Dr. Wedding, der ihm angab, wo er die kommende Nacht verbringen solle. Die Wohnungsschlüssel sammelte er und schickte sie am Ende einer jeden Woche Wedding zu. Die Wohnungen, in denen er übernachtete, lagen samt und sonders in Neubauten. Allein aus der Tatsache, daß Weddings Gruppe über derart viele Wohnungen verfügte, konnte Manstein schließen, daß ihre Privilegien und Sonderrechte sehr bedeutend sein mußten.
Manstein kam in diesen Tagen wenig zum Schlafen. Die Abende nach Dienstschluß und nach Beendigung seiner Nachforschungen in den Zeitungsarchiven verwendete er darauf, die Erkenntnisse zu verwerten, die er im Laufe des Tages gesammelt hatte. Diese Aufgabe war um einige Grade schwieriger, als er sie sich vorgestellt hatte. Inzwischen hatte er mindestens hundert Daten zusammengetragen, die in der Physik dieses Niveaus dauernd verwendet wurden, aber falsch waren. Manstein rechnete seine Fehlersammlung unter den verschiedenartigsten Voraussetzungen durch; aber das Ziel, das die Unbekannten verfolgten, wurde ihm dadurch in keiner Weise besser sichtbar.
Inspektor Grewes hatte ihm inzwischen versichert, daß wegen des Todes des Taxichauffeurs und des fremden Verfolgers gegen ihn kein Verfahren angestrengt werden würde. Auch bei der Obduktion der zweiten Leiche hatte sich herausgestellt, daß der Tote einen derart abnormen Schädelbau besaß, daß jeder auch nur halbwegs kräftig geführte Schlag ihn töten mußte. Manstein behielt trotz dieser Ankündigung ein schlechtes Gewissen; im Augenblick aber war ihm auch schon damit gedient, daß man ihm von behördlicher Seite keine Schwierigkeiten machen werde.
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Inspektor Grewes war ein Mann von etwas mehr als fünfzig Jahren. Seinem Äußeren waren weder sein Beruf noch seine beruflichen Fähigkeiten anzusehen, über die er ohne Zweifel verfügte, wenn er sie im allgemeinen auch mit List und Erfolg zu verbergen verstand. Grewes war klein und verfügte über einen etwas absonderlich geformten Spitzbauch. Er war der Ansicht, daß ein Mann über Fünfzig und im besonderen ein Kriminalpolizist nur Pfeife rauchen sollte. Dies tat er mit Hingebung und einem Tabak, der für einen Ungewohnten den längeren Aufenthalt in seinem Büro zur Qual werden ließ.
Grewes war einer von den Kriminalbeamten, die das Nachdenken für ebenso wichtig wie das Handeln hielten. Seit seinem Eintritt in den Dienst der Polizei vor mehr als fünfundzwanzig Jahren hatte er mit dieser Taktik Erfolg gehabt; und er sah keinen Grund, von ihr abzugehen – auch wenn der Fall, der ihn im Augenblick beschäftigte, schwieriger und absonderlicher zu sein schien als alle anderen, die er bisher bearbeitet hatte.
Kurz nach fünf Uhr läutete an diesem Nachmittag sein Telefon. Es überraschte Grewes beim Aufräumen seines Schreibtisches. Grewes hielt sich streng an die Dienstzeiten und hatte die unumstößliche Absicht, sich auch von einem Anruf nicht länger als bis Viertel nach fünf aufhalten zu lassen.
„Grewes!“ sagte er unfreundlich.
Dr. Wedding meldete sich. Er teilte Grewes mit, daß er üblicherweise Manstein kurz nach dem Mittagessen die Adresse angebe, zu der er sich abends begeben sollte. Dr. Wedding war sehr aufgeregt und gab an,
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