2x Professor Manstein
einen Nebel hindurch, der vor seinen Augen lag, erkannte er die Einrichtung eines Krankenhauszimmers und Inspektor Grewes’ grinsendes Gesicht.
„Wie geht es Ihnen?“ fragte der Inspektor.
„Schlecht genug!“ antwortete Manstein mit schwacher Stimme. „Was ist los?“
„Jemand hat Sie vergiften wollen!“
„Womit?“
Grewes räusperte sich.
„Das ist das Seltsame an der Sache: Wir wissen nicht womit! Die beiden Druckbomben, die unsere Leute in der Küche der Wohnung Karlsstraße dreizehn, dritter Stock, fanden, enthielten außer ganz gewöhnlicher Kohlensäure noch ein anderes Gas, über dessen Zusammensetzung unsere Chemiker seit zwei Tagen brüten!“
„Seit zwei Tagen?“
Grewes nickte.
„Sie waren ziemlich lange bewußtlos! Die Ärzte meinen, es sei überhaupt ein Wunder, daß Sie noch einmal davongekommen sind. Sie müssen mindestens drei Stunden unter der Einwirkung des Gases gestanden haben!“
Manstein schüttelte verwundert den Kopf.
„Es kann heutzutage doch kein Gas geben, das die Chemie nicht zu analysieren imstande ist!“
Grewes schlug sich auf die Beine.
„Ich habe keine Ahnung von derlei Dingen!“ gab er offen zu. „Aber ich kann mir kaum vorstellen, daß unsere Chemiker mich an der Nase herumführen wollen!“
Manstein dachte eine Weile nach.
„Haben Sie sonst etwas herausgefunden?“
„Ja! Dr. Wedding ist tot!“
Manstein fuhr ein Stück aus seinen Kissen hoch, sank jedoch sofort mit einem leisen Schrei wieder zurück.
„Ruhig Blut, mein Lieber!“
Manstein keuchte.
„Was ist mit ihm geschehen?“
„Jemand hat ihm ein Küchenmesser in den Rücken gestoßen!“
„Wer?“ fragte Manstein.
Grewes zuckte mit den Schultern.
„Woher soll ich es wissen? Vielleicht einer von den Irren, mit denen er in seiner Praxis zu tun hatte – vielleicht auch jemand anderes!“
Manstein drehte mit einiger Mühe den Kopf zu ihm herum.
„Glauben Sie an den Irren?“
„Offen gestanden – nein!“
Manstein brauchte anderthalb Wochen bis zur völligen Wiederherstellung. Inspektor Grewes ließ nichts ungetan, was seiner Sicherheit diente – obwohl Manstein davon nichts merkte.
Im Krankenbett kam Manstein eine neue Idee. Er glaubte, inzwischen erkannt zu haben, daß er allein der Aufgabe nicht gewachsen sei, die Wedding und seine Gruppe ihm gestellt hatten. Er würde sich an Pierre Daumier wenden. Wenn es irgend jemand gab, vor dessen wissenschaftlichen Fähigkeiten Manstein die höchste Achtung hatte, dann war er es. In Zusammenarbeit mit Daumier würde es relativ einfach sein, herauszufinden, inwieweit die moderne Physik mit Fehlern durchsetzt war und welchem Zweck diese Verseuchung diente.
Manstein wußte nicht, ob Wedding auch den anderen Mitgliedern seiner Gruppe über die Zusammenarbeit mit ihm, Manstein, Bescheid gegeben habe. In dieser Hinsicht schwebte er völlig in der Luft. Er mußte warten, bis man wieder an ihn herantrat.
Es fiel Manstein nicht schwer, von der Hochschule einige Wochen Erholungsurlaub zugebilligt zu bekommen. Er benutzte den nächsten Zug nach Paris – nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß es Barbara und den Kindern ausgezeichnet ging.
Als Manstein in Paris ankam, war es später Abend. Während der Fahrt hatte er sich ein Hotel ausgesucht, in dem er vom Bahnhof aus ein Zimmer bestellte. Dann nahm er ein Taxi und befahl dem Chauffeur:
„Fahren Sie, wie ich Sie dirigiere – zunächst einmal den Boulevard Strasbourg hinunter!“
Er dirigierte den Wagen zehn Minuten lang in die Kreuz und in die Quere, eine Zeitspanne, in der der Chauffeur immer mehr Angst bekommen hatte, er habe es mit einem Wahnsinnigen zu tun. Manstein stieg in der Rue Rivoli aus. Die Straße war auch jetzt noch mehr als belebt. Der Professor blieb vor mehreren Schaufenstern stehen, um zu beobachten, ob er verfolgt werde. Obwohl nichts darauf hindeutete, machte er sich jedoch alle Mühe, dem eventuellen Verfolger zu entrinnen. Im Gedränge von Paris verkehrsreichster Straße fiel ihm das nicht schwer.
Eine halbe Stunde später nahm er abermals ein Taxi. Er verfuhr mit ihm nicht besser als mit dem ersten. Dieser Chauffeur war jedoch weniger schüchtern als der vorige, drehte sich nach einer Weile um und fragte:
„Wissen Sie überhaupt, wohin Sie wollen, Monsieur?“
Manstein nickte nur. Nach einer Weile verließ er auch dieses Taxi, ging noch eine Weile zu Fuß und nahm dann einen dritten Wagen, der ihn endgültig zum Hotel brachte. Er war der festen
Weitere Kostenlose Bücher