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30 Sekunden Verzögerung

30 Sekunden Verzögerung

Titel: 30 Sekunden Verzögerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Moore Williams
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Absinken der Moral zu verhindern. Wollen Sie im Ernst behaupten, Sie könnten hinter die feindlichen Linien sehen?“ Gespannt wartete Zen auf die Antwort. Zuverlässige Nachrichten waren im Kriege ebensoviel wert wie gute Waffen, manchmal sogar mehr. Kenntnis feindlicher Truppenbewegungen bedeutete oft eine halb gewonnene Schlacht.
    Statt einer Antwort bediente West die Knöpfe und Schalter an seinem Sessel, ein neues Bild zeichnete sich auf dem Schirm ab.
    Zens Blick haftete auf einem einzigen, zwiebelförmigen Turm, der sich inmitten eines ausgedehnten Trümmerfeldes erhob, und seine Stimme verriet Ungläubigkeit, als er fragte: „Moskau?“
    „Erraten“, nickte West.
    „Also doch!“ meinte Zen. „Ein einziges unserer schnellen Bomberflugzeuge konnte die Sperre durchbrechen und seine Bomben abladen. Als das Aufklärungsflugzeug Stunden später über der Stadt erschien, brannte sie an allen Ecken und Enden. Scheint, daß wir Moskau wirklich zur Hölle gemacht haben!“
    „Sie scheinen sehr befriedigt über das Ergebnis, Oberst“, klang die Stimme Wests. „Wissen Sie, wieviel Millionen Menschen direkt oder indirekt diesen Bomben zum Opfer fielen?“
    „Wie viele Millionen starben in Washington, Pittsburgh und Chikago?“ entgegnete Zen hart. „Zählen diese Toten für Sie nicht?“
    „Ihre Rechnung mag stimmen“, gab West zu. „Muß aber Unrecht mit Unrecht vergolten werden? Muß für jeden Menschen, der stirbt, ein anderer getötet werden? Soll das eine Kette sein, die nie ein Ende hat?“
    „Es ist Krieg“, erwiderte Zen hart.
    „Zugegeben. Aber diesen Krieg haben Menschen begonnen. Soll das Gesetz des Lebens darum zugrunde gehen?“
    „Mit akademischen Fragen kommt man der Wirklichkeit nicht bei“, verteidigte Zen sich. „Der Feind zielt auf unser Herz.“ Er hob die Stimme, um überredend fortzufahren: „Begreifen Sie doch, daß wir diesen Krieg nicht wollten. Wir haben alles getan, um ihn zu verhindern. Wir waren zu Kompromissen bereit, gaben nach, wo wir es durften, ohne uns etwas zu vergeben. Alle Mühe war vergebens. Der Angriff kam aus heiterem Himmel, ohne jede Warnung.“
    „Auch hierin gebe ich Ihnen recht“, sagte West, den Blick immer noch auf das Bild der zerstörten Stadt gerichtet. „Aber das Ergebnis ist und bleibt – Zerstörung!“
    Zen starrte auf den Mann und fragte sich, was in West vorging. Was war er überhaupt für ein Wesen? Im Halbdunkel des Raumes ließen sich seine Züge nur undeutlich erkennen. „Zerstörung, ja – aber nicht durch unsere Schuld“, fuhr Zen fort. „Wir glaubten an Anstand, für den Gegner war Anstand eine Phrase. Wir glaubten an eine bessere Welt. Die Absicht des Gegners ist, die dunklen Zeiten der Barbarei wieder erstehen zu lassen. Wir glaubten an Freiheit, die anderen wollten Sklaverei. Was blieb uns anderes übrig, als den Kampf aufzunehmen und zurückzuschlagen!“
    „Ich kann Ihren Ansichten nicht widersprechen“, sagte West ruhig. „Ich habe auch nicht die Absicht, etwas zur Rechtfertigung des Vorgehens der westlichen Demokratien beizutragen. Es braucht keine Rechtfertigung, genau so wenig wie das Vorgehen des Asiatischen Bundes. Von ihrem Standpunkt hatten auch sie recht.“ Wests Stimme klang leidenschaftslos, fast uninteressiert, als er dies sagte.
    „Welche Absicht haben Sie dann?“ fragte Zen gespannt.
    „In erster Linie dies: Ihnen klarzumachen, daß die menschliche Rasse ein einheitlicher Organismus ist. In seiner Gesamtheit gesehen, stellt das Menschengeschlecht ein Ganzes dar. Jeder Organismus besteht aus winzigen Zellen. Die Milliarden von Einzelwesen, die wir Menschen nennen, sind, so verschieden ihr Äußeres auch sein mag, nur die Zellen eines gewaltigen Organismus.“
    „Diese Theorie ist mir vertraut“, gab Zen zu. „Wirklichkeitsfremde Phantasten versuchen uns einzureden, wir seien eine biologische Einheit. Den Beweis haben sie uns allerdings schuldig bleiben müssen.“
    „Meinen Sie wirklich?“ Die Ironie in Wests Stimme war nicht zu überhören.
    „Ich denke schon.“
    „Könnte es nicht möglich sein, Oberst, daß Sie keineswegs alles wissen?“
    „Es ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich“, erwiderte Zen ungerührt. „Wenn ich alles wüßte, säße ich nicht hier, um mit Ihnen tiefsinnige Gespräche zu führen. Dann wäre ich dort draußen damit beschäftigt, den Krieg zu gewinnen.“
    „Worauf ich hinaus will, ist folgendes“, sagte West geduldig. „Die menschliche Rasse ist

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