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309 - Die Rache der Hydriten

309 - Die Rache der Hydriten

Titel: 309 - Die Rache der Hydriten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern Sascha Vennemann
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verlassen hatte. Es waren jetzt deutlich mehr als zwei Stimmen. Offenbar hatten sich aufgescheuchte Anwohner den beiden jungen Männern angeschlossen.
    Also durch den Stacheldraht und riskieren, dass sein Anzug beschädigt wurde? Niemals!
    Noch während er angestrengt darüber nachdachte, wie er aus der vertrackten Situation wieder herauskam, registrierten seine Augen ein Seil, das vor seinem Gesicht baumelte. Er wandte den Blick nach oben und sah aus einem Fenster im zweiten Stock einen Arm auf sich hinterdeuten, der ihn gleich darauf mit einer einladenden Bewegung dazu aufforderte, hinaufzuklettern.
    Eine Falle? Möglich. Aber was hatte er für eine Wahl?
    Ur’gon packte das Seil und zog es straff. Die Füße gegen die Hauswand gestemmt, hangelte er sich hoch, auf das Fenster zu. Aus dem Zimmer dahinter streckte sich ihm ein Armpaar entgegen, um ihn hineinzuziehen.
    In der Gasse war es dunkel, sodass kein Licht in den Raum fiel und er nicht sehen konnte, wer oder was ihn erwartete.
    Freund oder Feind – vor den Verfolgern war er hier aber erst einmal sicher.
    ***
    Zuerst hatte sie gedacht, es wäre ein Kleinwüchsiger, den die Kids da durch die Straßen jagten. Schon da war sie den Verdacht nicht losgeworden, dass hier etwas im Gange war, das sie nicht gutheißen konnte.
    Aufgeschreckt von dem Geschrei hatte sie beobachtet, wie das kleine Wesen von einem größer werdenden Mob in Richtung Innenstadt zu fliehen versuchte.
    Doch das, was das sechzehnjährige Indianermädchen Keeva durch das Fenster in den zweiten Stock des verlassenen Hauses gezogen hatte, in dem sie ihre Bleibe eingerichtet hatte, war kein Kleinwüchsiger – es war noch nicht mal ein Mensch.
    Still und starrend saßen sie voreinander auf dem Boden der Wohnung, taxierten sich mit vorsichtigen Blicken, während draußen die Kids und ihre dazugestoßenen Anhänger rufend durch die Gassen zogen.
    Keeva hatte das Gefühl, einem unschuldigen Wesen gegenüberzusitzen, das eingeschüchtert und ängstlich war, weil es nicht verstand, warum man es jagte.
    Ihr Großvater White Owl und ihr Vater Nighthawk hatten ihr beigebracht, den Respekt vor Mutter Natur nie zu verlieren. Und auch wenn immer wieder schreckliche Dinge aus dem Zeitwald zu ihnen in die Stadt drangen, so waren diese Dinge doch auch Teil ihrer Umwelt, Teil der Schöpfung, mit der man zurechtkommen musste.
    Nach dem Kampf gegen das Tentakelwesen Kroow war der Stamm der Algonkin zum Teil aus den Goonshacks in andere Stadtteile umgesiedelt. Man hatte die Kanalisation und einen ganzen Straßenzug gesprengt, um den grausamen Feind unter Tonnen von Schutt zu begraben. Anschließend hatte man die Fläche so gut es ging zementiert, damit das Tentakelmonster nicht mehr in die Freiheit entkommen konnte.
    Die Umsiedelung hatte Keeva zum Anlass genommen, sich noch ein wenig mehr zu emanzipieren. Sie war schon immer eigenständig gewesen und durch die Stadt gestreift, wie es ihr gefiel. Einen ihrer zahlreichen Schlupfwinkel als ihr eigenes Heim einzurichten, war nur ein nächster Schritt gewesen.
    »Was bist du?«, flüsterte sie. Das Wesen ihr gegenüber trug eine Art Ganzkörperanzug und einen flachen Helm. Ein beständiges leises Pumpen und Rauschen kam aus der Gesichtsmaske. Um die dunklen Augen lag ein abwesend wirkender Eindruck. Mit verschränkten Beinen saß es da, in etwa drei Metern Abstand, das Fenster im Rücken. In genau derselben Haltung saß Keeva ihm gegenüber.
    Es ist intelligent, keine Frage. Es benutzt Technik. Aber es redet nicht mit mir . »Kannst du überhaupt sprechen?«, fragte sie laut. Die Stimmen vor dem Fenster wurden weniger, waren aber noch zu hören.
    Das Wesen hob die Arme, zeigte ihr einen kurzen knüppelartigen Stab und legte ihn bedeutungsvoll neben sich ab. Dann führte es langsam die Hände zum Gesicht, schien irgendwelche Kontaktpunkte an der Atemmaske zu drücken.
    Wie eine sich zusammenfaltende Blumenblüte zog sich der Mundschutz zurück und legte ein Fischmaul frei. Das Wesen blinzelte kurz; ein Schwall Wasser lief ihm über die Lippen. Dann stieß es in schneller Folge Knack- und Schnalzlaute aus, beugte sich erwartungsvoll nach vorn und blinzelte erneut.
    Keeva musste lächeln. Irgendwie sah dieses Ding doch ganz niedlich aus! Also ist nicht alles, was aus Spooky Pines kommt, grausam und gefährlich...
    Dass das Wesen aus dem Zeitwald kommen musste, daran bestand für Keeva kein Zweifel. Für eine gewöhnliche Mutation war es einfach viel zu fremdartig. Eine

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