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3096 Tage

3096 Tage

Titel: 3096 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natascha Kampusch
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sollte ich ihm eine Gipsfaserplatte reichen. Ich war seiner Meinung nach zu langsam - er packte meine Hand drehte sie um und rieb sie so heftig über eine der Fermacellplatten, bis ich auf dem Handrücken eine Brandwunde hatte, die jahrelang nicht verheilte: Immer wieder scheuerte der Täter die Wunde auf - an der Wand, an den Gipsfasersplatten, selbst an der glatten Oberfläche des Waschbeckens konnte er meinen Handrücken so brutal reiben, dass das Blut durch die Haut sickerte. Bis heute ist diese Stelle an meiner rechten Hand rau.
    Als ich ein anderes Mal zu langsam auf eine seiner Anweisungen reagierte, warf er ein Stanleymesser gezielt nach mir. Die scharfe Klinge, mit der man Teppichböden wie ein Stück Butter zerschneiden kann, bohrte sich in mein Knie und blieb stecken. Der Schmerz fuhr so brutal durch mein Bein, dass mir übel wurde. Ich fühlte, wie mir das Blut das Schienbein hinunterrann. Als er das sah, brüllte er wie von Sinnen: »Lass das, du machst Flecken!« Dann packte er mich und schleppte mich ins Badezimmer, um die Blutung zu stillen und die Wunde zu verbinden. Ich stand völlig unter Schock und bekam kaum Luft. Er klatsche mir ungehalten kaltes Wasser ins Gesicht und fuhr mich an: »Hör auf zu heulen.«
    Hinterher bekam ich wieder ein Eis.
    Bald begann er, mich auch bei der Hausarbeit zu traktieren. Er saß im Wohnzimmer in seinem Ledersessel und sah mir zu, wie ich auf dem Boden kniete und wischte, und kommentierte jede meiner Handbewegungen mit abfälligen Bemerkungen.
    »Du bist sogar zu dumm zum Putzen.«
    »Du kannst ja nicht einmal einen Fleck wegwischen.«
    Ich starrte stumm auf den Boden, innerlich kochend, äußerlich putzte ich mit doppelter Energie weiter. Doch auch das genügte nicht. Ohne Vorwarnung kassierte ich plötzliche Tritte in die Seite oder ans Schienbein. Bis alles glänzte.
    Als ich einmal mit dreizehn Jahren die Küchenplatte nicht schnell genug säuberte, trat er mir so heftig gegen das Steißbein, dass ich gegen die Kante schleuderte und mir die Haut an den Hüftknochen aufplatzte. Obwohl ich stark blutete, schickte er mich ohne Pflaster, ohne Verband ins Verlies, ungehalten über die Belästigung durch die klaffende Wunde. Es dauerte Wochen, bis sie verheilt war, auch weil er mich immer wieder in der Küche gegen die Kante stieß. Unerwartet, beiläufig, gezielt. Wieder und wieder riss die dünne Haut auf, die sich über der Wunde auf meinen Hüftknochen gebildet hatte.
    Am wenigsten ertrug er es, wenn ich vor Schmerzen weinte. Dann ergriff er meinen Arm und wischte mir mit dem Handrücken so brutal die Tränen aus dem Gesicht, bis ich vor Angst aufhörte. Wenn das nichts nützte, packte er mich an der Gurgel, schleppte mich zum Waschbecken und drückte mich hinein. Er presste mir die Luftröhre zusammen und rieb mein Gesicht mit kaltem Wasser ab, bis ich fast die Besinnung verlor. Er hasste es, mit den Folgen seiner Misshandlungen konfrontiert zu werden. Tränen, blaue Flecken, blutende Wunden, nichts davon wollte er sehen. Was man nicht sehen kann, ist auch nicht passiert.
    Es waren keine systematischen Schläge, mit denen er mich traktierte und auf die ich mich in gewisser Weise hätte einstellen können, sondern plötzliche Ausbrüche, die immer heftiger verliefen. Vielleicht, weil er bei jeder Grenze, die er überschritt, merkte, dass ihm keinerlei Konsequenzen drohten. Vielleicht, weil er nicht anders konnte, als die Spirale der Gewalt immer weiter zu beschleunigen.
    Ich denke, ich habe diese Zeit nur deswegen überstanden, weil ich diese Erlebnisse von mir abgespalten habe. Nicht aufgrund einer bewussten Entscheidung, wie sie ein Erwachsener treffen würde, sondern aus kindlichem Überlebensinstinkt. Ich verließ meinen Körper, wenn der Täter ihn traktierte, und sah von weitem zu, wie das zwölfjährige Mädchen am Boden lag und mit Tritten bearbeitet wurde.
    Es ist bis heute so, dass ich diese Übergriffe nur aus der Distanz aufzählen kann, als wären sie nicht mir zugestoßen, sondern jemand anderem. Ich erinnere mich lebhaft an die Schmerzen, die ich während der Schläge spürte, und an die Schmerzen, die mich über Tage begleiteten. Ich erinnere mich daran, dass ich so viele Blutergüsse hatte, dass es keine Position mehr gab, in der ich schmerzfrei liegen konnte. Ich erinnere mich an die Qual, die mir das an manchen Tagen bereitete, und daran, wie lange mir das Schambein nach einem Tritt schmerzte. An die Hautabschürfungen, die Platzwunden. Und an

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