3096 Tage
ich blaue Blitze sah. Uvm.
24. 8. 2005 Brutale Tritte mit dem Knie in Bauch und Genitalbereich (wollte mich zum Knien bringen). Sowie auf die untere Wirbelsäule. Schläge mit der Handfläche ins Gesicht, ein brutaler Fausthieb auf mein rechtes Ohr (schwarzblaue Verfärbung). Dann Dunkelhaft ohne Luft und Essen.
25. 8. 2005 Fausthiebe auf meine Hüftknochen und mein Brustbein. Dann vollkommen gemeine Beleidigungen. Dunkelhaft. Ich hatte den ganzen Tag nur sieben rohe Karotten und ein Glas Milch.
26. 8. 2005 Brutale Schläge mit der Faust auf die Vorderseite meiner Oberschenkel und auf meinen Po (Knöchel). Sowie schallende, brennende rote Pusteln zurücklassende Schläge auf Po, Rücken, seitlichen Oberschenkel, rechte Schulter und Achsel sowie Busen.
Der Horror einer einzigen Woche, von denen es unzählige gab. Manchmal war es so schlimm, dass ich so zitterte, dass ich den Stift nicht mehr halten konnte. Ich kroch wimmernd ins Bett, voller Angst, dass die Bilder des Tages mich auch in der Nacht einholen würden. Dann sprach ich mit meinem zweiten Ich, das auf mich wartete, das mich an der Hand nehmen würde, egal, was noch passieren würde. Ich stellte mir vor, dass es mich durch den dreiteiligen Spiegel, der inzwischen über dem Waschbecken in meinem Verlies hing, sehen könnte. Wenn ich nur lange genug hineinblickte, würde sich mein starkes Ich in meinem Gesicht spiegeln.
* * *
Das nächste Mal, das hatte ich mir fest vorgenommen, würde ich die ausgestreckte Hand nicht loslassen. Ich würde die Kraft haben, jemanden um Hilfe zu bitten.
Eines Morgens gab mir der Täter Jeans und ein T-Shirt. Er wollte, dass ich ihn in den Baumarkt begleite. Mein Mut sank bereits, als wir auf die Zufahrtsstraße nach Wien bogen. Wenn er diese Straße weiterfuhr, würden wir in meine alte Wohngegend kommen. Es war derselbe Weg, den ich am 2. März 1998 in umgekehrter Richtung zurückgelegt hatte - am Boden des Laderaums kauernd. Damals hatte ich Angst davor zu sterben. Jetzt war ich 17, saß auf dem Vordersitz und hatte Angst vor dem Leben.
Wir fuhren durch Süßenbrunn, ein paar Straßen vorbei am Haus meiner Großmutter. Mich überfiel eine tiefe Sehnsucht nach dem Mädchen, das hier die Wochenenden bei seiner Großmutter verbracht hatte. Es schien mir unwiederbringlich verloren, aus einem fernen Jahrhundert. Ich sah die vertrauten Gassen, die Häuser, die Pflastersteine, auf denen ich Himmel und Hölle gespielt hatte. Aber ich gehörte nicht mehr dazu.
»Senk den Blick«, herrschte mich Priklopil von der Seite an. Ich gehorchte sofort. Die Nähe zu den Orten meiner Kindheit schnürte mir den Hals zu, ich kämpfte mit den Tränen. Irgendwo da, rechts von uns, ging es in den Rennbahnweg. Irgendwo da rechts in der großen Siedlung saß vielleicht meine Mutter gerade am Küchentisch. Sie dachte inzwischen sicher, dass ich tot sei, dabei fuhr ich gerade einmal ein paar hundert Meter an ihr vorbei. Ich fühlte mich wie erschlagen und sehr viel weiter weg als die paar Straßen, die tatsächlich zwischen uns lagen.
Der Eindruck verstärkte sich noch, als der Täter auf den Parkplatz des Baumarktes einbog. Hunderte Male hat meine Mutter an dieser Ecke mit dem Auto an der roten Ampel gewartet, um rechts abzubiegen. Denn dort lag die Wohnung meiner Schwester. Heute weiß ich, dass Waltraud Priklopil, die Mutter des Täters, ebenfalls nur wenige Hundert Meter weiter wohnte.
Der Parkplatz des Baumarkts war voller Menschen. Ein paar hatten sich in eine Schlange vor einem Würstelstand am Eingang eingereiht. Andere schoben ihre vollen Einkaufswagen zum Auto. Arbeiter mit fleckigen blauen Hosen trugen Holzlatten über den Parkplatz. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ich starrte aus dem Fenster. Irgendeiner dieser vielen Menschen musste mich doch sehen, musste doch merken, dass hier etwas nicht stimmte. Der Täter schien meine Gedanken zu ahnen: »Du bleibst sitzen. Du steigst erst aus, wenn ich es dir sage. Und dann bleibst du dicht vor mir und gehst langsam zum Eingang. Ich will keinen Ton hören!«
Ich ging vor ihm in den Baumarkt hinein. Er dirigierte mich mit sanftem Druck, eine Hand auf meiner Schulter. Ich konnte seine Nervosität spüren, die Fasern seiner Finger zuckten.
Ich ließ meinen Blick durch den langen Gang vor mir schweifen. Männer in Arbeitskleidung standen vor den Regalen, in Gruppen oder allein, mit Listen in der Hand geschäftig in ihre Besorgungen vertieft. Wen von ihnen
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