3096 Tage
überzogen mit einem zuckrigen, rosa Schaum und dekoriert mit Kerzen. Ich weiß nicht mehr, welche Geschenke ich damals noch bekam, es gab sicher noch einige, denn Priklopil liebte es, solche Feste zu zelebrieren. Für mich aber stand diese 18 im Zentrum meiner kleinen Feier. Sie war das Zeichen der Freiheit. Sie war das Symbol, das Zeichen dafür, dass es an der Zeit war, mein Versprechen einzulösen.
Für einen bleibt nur der Tod
Meine Flucht in die Freiheit
Ich hatte eine Bombe gezündet. Die Zündschnur brannte, und es gab keine Möglichkeit, sie zu löschen. Ich hatte das Leben gewählt. Für den Täter blieb nur der Tod.
DER TAG BEGANN wie jeder andere - auf Befehl der Zeitschaltuhr. Ich lag auf meinem Hochbett, als das Licht in meinem Verlies anging und mich aus einem wirren Traum weckte. Ich blieb noch einige Zeit liegen und versuchte, einen Sinn in den Traumfetzen zu erkennen, doch sie entglitten mir, je intensiver ich versuchte, sie festzuhalten. Nur ein vages Gefühl blieb haften, dem ich erstaunt nachsann. Tiefe Entschlossenheit. Ich hatte das lange nicht mehr gespürt.
Nach einer Weile trieb mich der Hunger aus dem Bett. Das Abendessen war ausgefallen, und mein Magen knurrte. Getrieben von dem Gedanken an etwas zu essen kletterte ich die Leiter hinunter. Doch noch bevor ich unten angekommen war, fiel mir ein, dass ich gar nichts mehr hatte: Der Täter hatte mir am Vorabend ein winziges Stück Kuchen für das Frühstück ins Verlies mitgegeben, das ich noch am Abend hinuntergeschlungen hatte. Frustriert putzte ich mir die Zähne, um den leicht säuerlichen Geschmack nach leerem Magen aus dem Mund zu vertreiben. Dann blickte ich mich unschlüssig um. Mein Verlies war an diesem Morgen sehr unordentlich, Kleidungsstücke lagen verstreut herum, auf meinem Schreibtisch stapelte sich Papier. An anderen Tagen hätte ich sofort begonnen, aufzuräumen und mein winziges Zimmer so gemütlich und ordentlich wie möglich zu gestalten. Aber an diesem Morgen hatte ich keine Lust dazu. Ich fühlte einen seltsamen Abstand zu diesen vier Wanden, die doch mein Zuhause geworden waren.
In einem kurzen orangefarbenen Kleid, auf das ich sehr stolz war, wartete ich darauf, dass der Täter die Tür öffnete. Ich hatte ja sonst nur Leggings und T-Shirts mit Farbflecken, einen Rollkragenpullover des Täters für kalte Tage und ein paar saubere, einfache Sachen für die wenigen Ausflüge nach draußen, auf die er mich während der vergangenen Monate mitgenommen hatte. In diesem Kleid konnte ich mich wie ein normales Mädchen fühlen. Der Täter hatte es mir als Belohnung für die Gartenarbeit gekauft. Im Frühjahr nach meinem 18. Geburtstag hatte er mich immer wieder unter seiner Aufsicht im Freien arbeiten lassen. Er war unvorsichtiger geworden, ständig lauerte die Gefahr, dass mich die Nachbarn sehen könnten. Schon zweimal hatte sein Verwandter von nebenan über den Zaun gegrüßt, während ich Unkraut jätete. »Eine Aushilfe«, sagte der Täter einmal lapidar, als der Nachbar mir zuwinkte. Er gab sich mit dieser Auskunft zufrieden, und ich war ohnehin unfähig, etwas zu sagen.
Als endlich die Tür zu meinem Verlies aufging, sah ich Priklopil von unten, wie er auf der 40 cm hohen Stufe stand. Ein Anblick, der mir selbst nach dieser langen Zeit noch Angst machte. Priklopil wirkte immer so groß, ein übermächtiger Schatten, verzerrt von der Glühbirne im Vorraum - wie ein Kerkermeister in einem Horrorfilm. Doch an diesem Tag kam er mir nicht bedrohlich vor. Ich fühlte mich stark und selbstbewusst. »Darf ich eine Unterhose anziehen?«, fragte ich, noch bevor ich ihn grüßte.
Der Täter sah mich erstaunt an. »Kommt nicht in Frage«, antwortete er.
Im Haus musste ich ja immer halbnackt arbeiten und im Garten durfte ich grundsätzlich keine Unterwäsche tragen. Es war eine seiner Methoden, mich kleinzuhalten. »Bitte, es ist viel bequemer«, schob ich nach.
Er schüttelte energisch den Kopf. »Auf keinen Fall. Wie kommst du denn überhaupt auf so was? Komm jetzt!«
Ich folgte ihm in den Vorraum und wartete, bis er durch den Durchlass gekrochen war. Die bauchige, schwere Betontüre, die zu einem festen Bestandteil meiner Lebenskulisse geworden war, stand offen. Wenn ich diesen Koloss aus Stahlbeton vor mir sah, stieg mir jedes Mal ein Kloß in den Hals. Ich hatte in den vergangenen Jahren verdammtes Glück gehabt. Ein Unfall des Täters wäre mein Todesurteil gewesen. Die Tür war von innen nicht zu öffnen und von
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