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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Pause, welche wir dem Erscheinen des Kreuzes gewidmet hatten, vorüber; wir setzten den unterbrochenen Ritt wieder fort.
    Durch das soeben Geschehene wurde mein Wunsch erfüllt, Mary Waller an meine Seite zu bekommen. Sie wollte wissen, was ihren Vater bewogen hatte, einen Schrei auszustoßen. Ich erklärte ihr im Weiterreiten die kurze, vollständig unbedenkliche Szene und hielt es dann für das beste, auf alle überflüssigen Einleitungen, Umschweife und so weiter zu verzichten und sie lieber gleich direkt zu fragen, ob ihr der Name Dilke bekannt sei. Sie antwortete ruhig, aber wehmütig lächelnd:
    „Ich danke Ihnen herzlich, daß Sie mich haben schonen wollen! Aber ich bin bereits unterrichtet. Fu liebt die Seinen so herzlich, daß er ihnen alles anvertraut. Die Damen erfuhren von ihm, was nur einstweilen verschwiegen bleiben sollte, und da sie über die Seelenkraft der Frau ganz anderer Ansicht sind als meine männlichen Freunde, so teilten sie mir alles mit und beschrieben mir hierauf die hiesigen Verhältnisse in so eingehender Weise, daß ich über den Schaden, den dieser Mann hier anzurichten strebt, vollständig beruhigt bin.“
    „Das ist mir lieb, außerordentlich lieb, Miß Mary. Lassen wir diesen Gegenstand also fallen!“
    „O nein! Das beabsichtige ich nicht! Und grad Ihnen gegenüber am allerwenigsten. Ich muß sagen, welch ein dunkler Punkt dieser ‚Robert Waller, genannt Dilke‘ für uns gewesen ist. Er war der Sohn von meines Vaters Bruder, der ihn zur größten Frömmigkeit erzog, zum Missionar, denn dieser Beruf ist in der Familie traditionell. Seine Mutter, meine Tante, war eine geborene Dilke und – – –“
    „Und darum läßt er sich jetzt mit diesem Namen nennen“, unterbrach ich sie. „Sehen Sie: Die Wolke geht. Und darum erscheint nun das Kreuz von neuem. Bitte, heben wir uns diesen Dilke, falls wir überhaupt gezwungen sind, über ihn zu sprechen, für später auf. Heut ist ein gar so schöner Vormittag. Der soll uns nicht durch ihn verdorben werden. Wollen wir einmal einen schnelleren Gang versuchen?“
    „Gern. Aber die Sänfte?“
    „Die holt uns ein, sobald wir auf sie warten.“
    „Tsi mag bei ihr bleiben. Ich bitte ihn darum.“
    Der Genannte war sehr gern bereit, ihr diesen Wunsch zu erfüllen, und dann gab es einen Galopp, an den sich alle andern schlossen. Das regte die Pferde an und ebenso die Reiter. Wir fielen gar nicht wieder in den gewöhnlichen Schritt zurück und hielten auch nicht eher an, als bis wir den Ort erreichten, an welchem das zweite Frühstück auf uns wartete. Fu hatte es bestellt.
    Das war ein Erfrischungshaus im schattigen Wald an der Stelle, wo die Straßen nach Shen-Fu und nach Raffley-Castle auseinandergingen. Wir stiegen ab und setzten uns unter Bäumen nieder, wo, um mich europäisch auszudrücken, für uns gedeckt worden war. Die Frau des Besitzers hatte den Platz mit Blumen geradezu überschmückt. Die Chinesin ist eine außerordentliche Blumenfreundin. Sie wird ihre Toilette ohne Blumen nie für vollständig halten und jeden ‚lieben‘ oder ‚geehrten‘ Gast mit ‚Kindern des Duftes‘ begrüßen.
    Es kann nicht meine Absicht sein, über die Gegend, in der wir uns befanden, hier topographische Bemerkungen zu machen. Es sind ganz andere Fragen zu beantworten, die im stillen an mich gerichtet werden, und keine der letzten wird diejenige sein, welche sich auf Waller bezieht. Er, der uns zum Schmerzenskind geworden war, bereitete uns jetzt ganz unerwartet eine Freude, die ich nur mit dem Wort unaussprechlich zu bezeichnen vermag.
    Nämlich zur Zeit, als wir annehmen durften, daß die Sänftenträger uns einholen würden, kam Tsi allein geritten, ihnen voraus, und rief uns, noch ehe er vom Pferd stieg, strahlenden Angesichtes zu:
    „Ich habe Euch vorzubereiten, damit Ihr keine Aufregung zeigt. Freut Euch von ganzem Herzen, aber seid ruhig dabei, nur ruhig! Dankt es dem neuen Taucher: Mr. Waller ist erwacht, vollständig erwacht, unterwegs; darum bemerkte ich es nicht gleich. Dann eilte ich voran. Da kommt er schon!“
    Es waren vier Kulis, die ihn trugen, je zwei und zwei zum Abwechseln. Wie staunten wir, als wir sahen, daß er aufrecht saß, nicht etwa zusammengehockt, sondern kräftig und gerade, wie ein Mann, der nichts von langer, abzehrender Krankheit weiß. Er sah uns mit hellen Augen an, musternd, wer wir seien. Als er seine Tochter erblickte, winkte er ihr fröhlich zu und rief, allerdings mit nicht gar starker

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