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311 - Der Weg des Bösen

311 - Der Weg des Bösen

Titel: 311 - Der Weg des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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Muskelzittern aufhörte.
    Blattschwinge musterte ihn mit spöttischer Miene, doch er sagte nichts. Leto machte das nichts aus. Für seine Behinderung konnte er nichts, und erst recht nicht musste er sich ihrer schämen. Jedenfalls kam er gut damit zurecht und sah sie nicht als Stigma an.
    Schließlich beruhigte sich sein Atem. »Wo ist Windtänzer?«, fragte er.
    »Er ist hier«, antwortete Blattschwinge. »Mehr kann ich nicht tun. Die Entscheidung fällt der Oberste Baumsprecher.« Damit verschwand er zwischen den Bäumen. Leto humpelte auf die Lichtung; sein Beinstumpf juckte unerträglich und der Schweiß rann ihm in Strömen hinunter. Gewaltmärsche in der freien Natur war er schon lange nicht mehr gewöhnt. Ein Schreibtischaktivist war er geworden, und da träumte er von einem Raumschiffkommando? Lächerlich.
    »Also«, sagte er in die Stille hinein. »Ich bin hier. Das wolltest du doch, oder? Deswegen hast du auf keinen meiner Hilferufe reagiert: Ich sollte als Bittsteller zu dir kommen. Also gut, da bin ich. Soll ich auch noch auf die Knie sinken, damit du mir die Gnade deiner Anwesenheit erweist?«
    Eine Bewegung in den Blättern gegenüber, dann erschien Windtänzer auf der Lichtung. Leto hatte ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen, und ihm gefiel überhaupt nicht, was aus dem Obersten Baumsprecher geworden war. Hatte Maya ihm das bewusst verschwiegen, oder war die Veränderung bei ihrem Besuch noch nicht so stark gewesen?
    Der hochgewachsene Schamane war sehr hager geworden, und in seinen Augen war keinerlei Weiß mehr zu erkennen. Diese Augen waren unheimlich, irgendwie nichtmenschlich.
    Mit diesem Mann stimmte etwas nicht. Leto hatte den charismatischen Windtänzer aus naheliegenden Gründen persönlich nie besonders gemocht, doch er hatte ihn politisch durchaus als klugen und weltoffenen Anführer und zugleich diplomatischen Vertreter seines Volkes geschätzt.
    Windtänzer war ein großer Mann  ...gewesen. Leto wusste nicht, wem er nun gegenüberstand, doch dieses Wesen kannte er nicht mehr. Er fühlte Kälte in seiner Gegenwart, und irgendwie schien alles dunkler um ihn herum zu werden.
    »Hältst du mich für so arrogant, dass ich deinen Kniefall erwarte?«, fragte der Oberste Baumsprecher mit tiefer Stimme, in der ein fremdartiges Klirren lag.
    »Offen gestanden, ja«, antwortete Leto. »Oder wie sonst lässt sich erklären, dass du keine meiner Botschaften beantwortet hast?«
    »Ich hatte zu tun. Und ich habe Maya gewarnt. Ich habe euch sogar Blattschwinge geschickt und damit sein Leben aufs Spiel gesetzt, doch nach wie vor wollt ihr nicht begreifen.«
    »Dann ist es dir egal, was aus Maya geworden ist?«
    »Ich habe ihr gesagt, dass sie alles verlieren würde. Indem sie ging, hat sie ihre Entscheidung getroffen.«
    Leto war tief betroffen. Er hatte gehofft, einen Zugang zu Windtänzer zu finden, weil der Maya geliebt hatte, fast genauso lange wie Leto. Doch er schien nichts mehr für sie zu empfinden. Sein Weg hierher war umsonst gewesen. Aber da er nun schon einmal da war, konnte er dennoch um Hilfe bitten.
    »Es geht nicht mehr nur um Maya«, sagte er. »Ich befürchte, eine Seuche geht in den Städten um und treibt die Leute in den Wahnsinn.« Er schilderte, wie sich die Lage seit Tagen zuspitzte und dass bisher kein Gegenmittel gefunden worden war.
    Windtänzer hörte immerhin zu. »Und was erwartest du nun von mir?«, fragte er am Ende von Letos Bericht.
    »Ich wollte dich um Hilfe bitten, wie schon seit dem Anschlag.« Leto hob leicht die Hand. »Ihr besitzt besondere mentale Fähigkeiten. Wäre es möglich, einen positiven Einfluss auszuüben? Oder uns bei der Suche nach der Ursache des veränderten Verhaltens zu unterstützen?«
    Der Schamane hob eine Braue. »Bei uns Waldleuten gibt es nicht einen einzigen Vorfall, wie du ihn geschildert hast. Offenbar sind wir von den Veränderungen ausgenommen.«
    »Ich glaube tatsächlich, dass ihr dagegen immun seid, aufgrund eurer veränderten Gehirne«, stimmte Leto zu. »Darum bitte ich dich, mitzukommen und dir alles anzuschauen. Ich selbst weiß nicht mehr weiter.«
    Windtänzer dachte nach. Leto erwartete schon fast, dass er sich einfach umdrehen und gehen würde, doch schließlich kam er zu einer Entscheidung. »Ich selbst verlasse den Wald nicht. Aber ich schicke euch meine hochbegabten Vertrauten, so viele ich entbehren kann. Vielleicht hast du recht und sie können einen beruhigenden Einfluss ausüben oder die Leute bei Verstand halten.

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