311 - Der Weg des Bösen
antwortete der Geheimdienstchef. »Noch ein paar Stunden und Sie drehen durch. Merken Sie gar nicht, dass Sie sich völlig irrational verhalten, entgegen Ihrer sonstigen stets ruhigen und beherrschten Art?«
»Sie faseln Unsinn, und außerdem gehen Sie mir auf die Nerven«, schnaubte Leto, sprang auf und schritt hinter seinem Arbeitstisch auf und ab. »Es sind die Kopfschmerzen, die mich wahnsinnig machen«, stöhnte er.
»Deswegen habe ich jemanden mitgebracht.«
Leto blieb stehen und versuchte den Blick auf Neronus zu fokussieren. Da erst bemerkte er, dass der Geheimdienstchef nicht allein war. Zwei Waldleute waren bei ihm.
»Miranda hier hat mich heute vor einer ziemlich großen Dummheit bewahrt«, fuhr Neronus Gingkoson fort. »Ich wollte allen Ernstes mein eigenes Büro in die Luft sprengen. Als ich das begriffen habe, bin ich sofort mit ihr und ihrem Bruder Refor zu Ihnen gekommen. Gerade noch rechtzeitig, wie mir scheint.«
»Schicken Sie diese verdammten Wurzelfresser fort! Aus meinen Augen!« Leto fühlte ungeheure Wut in sich aufsteigen, die unbedingt heraus musste. Alles würde besser werden, wenn er diese beiden Parasiten beseitigte, am besten gleich aus dem Fenster warf.
Da trat der junge Refor zu ihm hin und berührte seine Stirn. Nur für einen Moment. Leto fühlte die kühlende Berührung und hielt erstaunt inne. Dann ...wurde es auf einmal hell in ihm und das Gefühl der drückenden, finsteren Last verging. Selbst die Kopfschmerzen ließen nach.
»Was...«, setzte er an. Neronus reichte ihm ein Glas Wasser und zwei Tabletten.
»Erst mal runter damit, dann reden wir weiter.«
Leto gehorchte und spürte, wie seine Kopfschmerzen endgültig verschwanden, abgesehen von einem dumpfen Druck im Hinterkopf, der aber erträglich war. Mit nunmehr klaren Augen starrte er zuerst die Geschwister, dann Neronus an. »Verflucht noch eins«, sagte er.
»Ganz recht, Leto. Niemand ist gefeit gegen den Wahnsinn, auch wir nicht. Wir haben allerdings lange durchgehalten.«
»Tut mir leid«, entschuldigte Leto sich. »Ich wollte nicht ...ich habe keine Ahnung, wie ich derart die Fassung verlieren konnte. Als hätte etwas Fremdes von mir Besitz ergriffen.«
»So geht es allen Städtern«, sagte Miranda und lächelte. »Doch jetzt kann dir nichts mehr passieren.« Waldleute benutzten die förmliche Distanzanrede nicht. »Refor und ich werden als eure Leibwächter Tag und Nacht bei euch bleiben. Refor dürfte dir gefallen, Präsident – er redet nicht.«
»Er ist stumm?«
»Nein, aber er redet nicht. Niemand weiß, warum. Ich denke, er ist am besten geeignet für dich.«
Der junge Mann nickte Leto zu, und der nickte zurück. »Also dann, lasst uns arbeiten. Wir haben genug Zeit vertrödelt.« Er sah Miranda an. »Deine erste Aufgabe wird es sein, Windtänzer die Nachricht zu überbringen, dass wir noch mehr von euch hier brauchen. Wenn es keine Besten mehr gibt, dann eben die Zweitbesten. Er soll schicken, wen er entbehren kann und wer kommen will. Es ist unsere einzige Hoffnung.«
***
Sie umringten Mayas Bett. Leto spürte starke Strömungen, die von den Waldleuten ausgingen, während sie sich an den Händen hielten und leise summten.
Londo und Nomi standen Hand in Hand dabei und beobachteten ganz genau. Leto hatte sie mitgenommen, weil er ohnehin kaum mehr Zeit für seine Kinder hatte, außerdem sollten sie mitbekommen, was mit ihrer Mutter geschah.
Erstaunlicherweise hatten die beiden noch keinerlei Anzeichen von Wahnvorstellungen gezeigt, sie hatten nicht einmal schlechte Träume. Irgendetwas schien sie vor dem Irrsinn dort draußen zu beschützen. Sie begriffen auch, dass sie die Präsidentensuite nicht verlassen durften und dass die Schule vorerst ausfiel; was ihnen nebenbei gesagt am besten gefiel.
Leto wagte es nicht, eine feste Wache für sie abzustellen. Neronus hatte vorgeschlagen, eine Waldfrau zu beauftragen, doch das hatte Leto abgelehnt. Ein unbestimmtes Gefühl hielt ihn davon ab.
»Das passt aber nicht zusammen, Leto«, hatte der Geheimdienstchef kritisiert.
»Ich weiß, Nero. Aber belassen wir es dabei. Nomi kann gut auf sich und ihren Bruder aufpassen. Ich vertraue ihr mehr als jedem anderen.«
Leto spürte, dass Refor ihn leicht berührte, und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Waldleute. Sie hatten die Session beendet und wandten sich ihm zu.
Maya lag unverändert da. Das EEG, an das sie angeschlossen war, zeigte keinen erkennbaren Ausschlag.
»Es tut mir leid, aber wir
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