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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Staatsanwaltschaft Ihre geringe Haftstrafe beim Landgericht angemahnt, und das Landgericht hat daraufhin kurzerhand die Aussetzung Ihrer Strafe wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und Sachbeschädigung zur Bewährung widerrufen.«
    Ich sag: »Das kann nicht sein.«
    Der Direktor wedelt kurz mit dem Fax in der Hand.
    »Außerdem wurden wir darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Staatsanwaltschaft Ihr Verfahren wegen Körperverletzung wieder aufgenommen hat, das zunächst eingestellt worden war, jetzt aber wegen öffentlichem Interesse verfolgt wird.«
    Was der Direktor da grade vorgelesen hat, bedeutet, wenn ich das richtig verstanden habe, dass es noch mal siebzehn Monate Gefängnis als Nachschlag gibt und dass ein Verfahren, das eingestellt worden war, wieder läuft. Das ist die Vollkatastrophe, der Atomschlag.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich sage nur: »Wow.«
    Und mein Anwalt stottert: »Entschuldigen Sie, darf ich das mal sehen? Ich bin darüber nicht informiert. Ich bin der Verteidiger und habe die entsprechenden Vollmachten, so was müsste ich doch wissen.«
    Der Direktor reicht ihm ganz höflich das Fax über den Tisch. Mein Anwalt legt es mit professioneller Gelassenheit vor sich hin und überfliegt es erst mal nur.
    Ich sag: »Herr Dr. Schröder, jetzt sagen Sie mir doch endlich, was los ist!«
    Aber er wimmelt mich so ab: »Herr Stein, warten Sie mal.«
    Er geht das Fax mit seinem goldenen Kugelschreiber durch. Zuerst sagt er nur »aha« oder »das sind ja ganz komische Sitten«, dann macht er auf einmal auf dicke Hose, von wegen, so was habe er überhaupt noch nie erlebt, und was seien denn das für Methoden, und er werde sich jetzt sofort mit der Staatsanwaltschaft in Verbindung setzen. Aber je länger er redet, umso mehr dämmert mir, dass er in Wahrheit gar nichts machen kann.
    Am Ende sitzen der Anwalt, der Direktor und der Bereichsleiter da und starren auf den Tisch, als habe jeder brav seinen Text aufgesagt, und nun ist es an mir, die alles entscheidende Frage zu stellen, um zu zeigen, dass ich die Nummer auch schön gerafft habe.
    Ich sage: »Hallo? Was bedeutet das denn jetzt?«
    Der Direktor antwortet, als habe er nur darauf gewartet: »Das bedeutet, dass wir Sie nicht mehr im Regelvollzug haben können.«
    »Wie, was, ›nicht mehr im Regelvollzug haben können‹?«
    »Sie haben jetzt eine Gesamthaftstrafe von mehr als zwei Jahren. Damit sind Sie für den Regelvollzug nicht mehr geeignet.«
    Komisch: Heute Morgen war ich noch der Mensch, der zum ersten Mal für sechs Stunden rausdarf. Jetzt bin ich der Mensch, der fast eineinhalb Jahre länger sitzen muss. Das ist echt ein großer Unterschied, dafür, dass das alles in einen Kopf passen soll.
    Meine Stimme fängt langsam an, wacklig zu werden.
    »Ich mach doch alles. Ich hab mich freiwillig gestellt, ich mache meinen Job anständig, ich führ mich doch gut. Ich sollte heute Ausgang haben, meine Freundin treffen.«
    Aber der Direktor hat sich die Stahlmaske aufgesetzt.
    »Herr Stein, Sie sind hier mit sechs Monaten angetreten, jetzt haben Sie siebzehn obendrauf bekommen. Damit sind Sie über den Daumen gepeilt bei dreiundzwanzig. Außerdem läuft gegen Sie noch ein Verfahren wegen Körperverletzung, dessen Ausgang zum gegenwärtigen Zeitpunkt unklar ist. Nach Aktenlage – ohne da jetzt zu viel vorwegnehmen zu wollen – erscheint eine Verurteilung zumindest nicht ausgeschlossen. Das heißt, wenn von dort auch noch was kommt, dann sind Sie ratzfatz bei dreißig, vierzig Monaten. Da können wir leider im Regelvollzug nichts mehr für Sie tun.«
    Ich sitze da und muss richtig krass mit den Tränen kämpfen. Ich muss mich echt anstrengen, keinen Nervenzusammenbruch zu bekommen. Ich mein, dreißig, vierzig Monate, das bedeutet, dass ich garantiert mehrere Weihnachten im Knast verbringe, und der sagt das einfach so, als wären es Peanuts. Ich gucke meinen Anwalt an, der solche Situationen berufsbedingt relativ unberührt nimmt. Das Einzige, was er sagt, ist, dass er überrascht ist und dass das alles sehr unüblich ist.
    Jetzt bin ich wirklich komplett auf mich allein gestellt.
    Ich sag: »Mal saudoof gefragt, ich hatte eigentlich heute Ausgang. Was ist denn damit?«
    Darauf der Direktor nur ganz kurz: »Darüber müssen wir uns gar nicht mehr unterhalten.«
    Und ich: »Das ist mir im Moment aber am Allerwichtigsten. Ist es möglich, dass ich meine Freundin anrufe?«
    Ich sehe meine Süße jetzt ganz bildlich vor mir, wie sie

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