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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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oder schlecht laufen können, ist es bei Ihnen von der Verhaftung über die Verurteilung bis zum Vollzug immer ausschließlich schlecht gelaufen. Das ist mir in meiner Laufbahn bisher noch nicht untergekommen.«
    Mitten in diese Ansprache klopft es außen an der Tür. Der Direktor und der Bereichsleiter kommen schon wieder rein und setzen sich zu uns. Ich höre sofort auf zu weinen. Aber natürlich habe ich noch immer Pupillen wie eine Fledermaus.
    »Und wie geht es jetzt weiter?«, frage ich.
    Da holt der Direktor das Fallbeil raus: »Der Regelvollzug ist an dieser Stelle für Sie beendet. Sie kommen in Haus E.«
    Bei Haus E entgleisen mir komplett meine Gesichtszüge. Haus E, das ist das Irrenhaus der Anstalt, die Klapsmühle. Da landen die Leute, die sich mit Drogen so was von den Verstand weggemacht haben oder immer schon extrem geisteskrank waren, dass sie völlig unberechenbar sind. Wann immer bisher der Alarm losgegangen ist, weil es eine Massenschlägerei gab, sich einer totgemacht hat oder irgendeine Person sich selber alle Zähne ausgeschlagen und dann runtergeschluckt hat, also alle völlig kranken Geschichten, alles, was total panne ist, das passierte immer in Haus E. Und wenn sich daraufhin zwanzig Beamte fröhlich joggend auf den Weg gemacht haben, dann sind die immer direkt ins Haus E gerannt. Haus E hat die mit Abstand höchste Selbstmordrate der Anstalt.
    Der Bereichsleiter sieht mein kalkweißes Gesicht und fragt, ob es mir gut geht, wie ich mit der Situation klarkomme und ob ich vielleicht psychologische Hilfe brauche. Klingt, als wolle er wissen, ob ich mich jetzt in den nächsten fünf Minuten aufhänge.
    Da sage ich: »Das werden wir ja sehen.«
    Mein Anwalt beschwichtigt gleich: »Herr Stein, reißen Sie sich zusammen, sonst kommen wir hier nicht weiter.«
    Das Problem an der Sache ist: Wenn ich in der Art weitermache, schneide ich mir nur ins eigene Fleisch. Das muss ich begreifen. Die rationale Denke muss jetzt mal übernehmen. Wenn ich nur emotional gesteuert bleibe, fixieren die mich im Notfall noch auf irgendeiner Trage und legen mich irgendwo ab. Das ist Knast. Schlimmer geht immer. Es nützt gerade überhaupt nichts, hier abzuflennen, sag ich mir. Und in dem Moment meldet sich mein Überlebensinstinkt, und ich fange an, aus der riesigen Scheiße, in der ich stecke, wieder den Kopf zu heben. Auf einmal bin ich wieder vollkommen klar.
    Ich sage also ganz überlegt: »Also, wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich mich heute Abend erhänge oder so was, nein, das wird nicht passieren. Aber selbstverständlich bin ich sehr aufgebracht und nervlich am Ende. Sie haben mir grade gesagt, dass ich hier vervierfache. Tut mir leid, wenn ich darauf etwas geschockt reagiere.«
    Und der Bereichsleiter: »Ja, deswegen frage ich Sie ja.«
    Und ich leg nach: »Das muss halt erst sacken, aber wenn Sie denken, dass ich jetzt hier den Larry mache, das werde ich nicht.«
    Ich denke, gut, Oli, du bist auf dem richtigen Weg, weiter so. Und darum sage ich denen gleich noch, dass ich nicht in Haus E will.
    Da reißt der Direktor sofort das Gespräch an sich und funkt mir dazwischen: »Das können Sie sich nicht aussuchen.«
    Aber ich merke, dass ich mich wieder ganz gut gefangen habe, und setze auf einmal richtig krass mit Argumentieren an. Ich schlag sie mit ihren eigenen Waffen, von wegen gute Führung und Perspektive und Resozialisierung und der ganze Scheiß.
    »Gucken Sie doch mal in meine Akte rein«, sag ich. »Kokainmissbrauch, Alkoholmissbrauch. Da will ich nicht gemeinsam mit durchgeknallten – ich sag jetzt mal, wie’s ist – Junkies und Leuten, die hier in die Anstalt kommen, auf fünf Promille sind und jedes Psychopharmaka der Welt missbrauchen, meinen Vollzug machen. Ich hatte schon mal ein Umfeld, wo alle Drogen genommen haben, da möchte ich nicht mehr hin. Ich hab andere Ziele.«
    Die beiden sofort: »Das ist hier kein Wunschkonzert.«
    Aber ich biege jetzt noch in ein freundliches Schlusswort ein: »Das weiß ich. Sie haben gesagt, ich muss in den Geschlossenen. Da führt kein Weg dran vorbei. Ich würde Sie nur bitten, wenn das in irgendeiner Weise möglich ist, dann würde ich gern ins Haus A.«
    Mein Anwalt guckt mich an und fasst es nicht, gerade hab ich mir noch einen abgezittert und rumgeheult, jetzt sitze ich da und feilsche, und er blickt nichts, die ganze Veranstaltung läuft komplett an ihm vorbei. Haus E, Haus A, sagt ihm alles gar nichts, und in Wahrheit weiß ich auch nicht viel mehr,

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