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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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als ich bisher von den Kollegen gehört habe, nämlich, dass in dem einen Drogis sitzen und in dem anderen Jungs mit heftigen Langzeitstrafen. Ich hab eben nur gerade das Gefühl, dass es mir bei denen besser gefällt.
    Aber der Direktor sagt: »Herr Stein, in Haus A sitzen Mörder, Bankräuber, alles. Das sind ganz andere Fälle als Sie.«
    Und ich nur so: »Lieber die als die anderen.«
    Der Direktor dreht sich zum Bereichsleiter und fragt, was er dazu meint, und da scheint sich der Bereichsleiter auf einmal dazu durchgerungen zu haben, mir einen Gefallen zu tun.
    Er sagt: »Es ist beides geschlossener Vollzug, es ist also dasselbe. Ich kann das von der Idee her verstehen. Der Herr Stein hat sich sehr gut und ordentlich geführt. Ich kann mir vorstellen, dass die Leute im Haus A auch daran interessiert sind, sich ordentlich zu führen, eher als die in Haus E, würde ich sagen.«
    Da lässt ihn der Direktor zu Haus A durchfunken und fragen, ob ein Platz für mich frei wäre. Ich sitze da und lache in mich hinein. Heute Morgen dachte ich noch, ich bekomme Ausgang, jetzt muss ich schon froh sein, wenn ich nicht mit den Junkies im Geschlossenen sitze, sondern nur mit den Mördern.
    Der Direktor, das sehe ich, ist so was von glücklich, dass er mich endlich aus dem Regelvollzug ziehen kann, wo ich Ausgang habe und die Presse durch mich und die anderen Freigänger immer mit neuem Material beliefert wird. Dass schon bald keine Zeitung mehr anrufen wird, keine Kameras mehr vor der Tür stehen werden, dass er jetzt einfach Ruhe haben wird. Der musste zwei Leute wegen mir abschießen, wegen der reingeschmuggelten Handykameras. Durch mich ist eine unglaubliche Unruhe in diesen JVA -Apparat reingekommen. Darum wollte der mir ja letztens schon anbieten, sich was für mich zu überlegen. Jetzt ahne ich, was er sich da vorgestellt hat. Einzelzelle, Einzel-Hofstunden, damit ich sozusagen nicht mehr auf Mitgefangene treffe, die Informationen nach außen geben können. Das wäre Isolationshaft gewesen. Aber er wollte mir das als schmackhaft verkaufen. Der Direktor hätte mich am liebsten auf einen eigenen Gang gesteckt, ich schwör’s, hundertprozentig. Jetzt hat er mich endlich weggeschlossen gekriegt.
    Mitten in meine Gedanken platzt der Bereichsleiter mit der Nachricht, dass in Haus A ein Zimmer, er sagt wirklich ein Zimmer, frei wäre, ab sofort, als Doppelbelegung. Dort komme ich jetzt also hin. Ich bin fast froh, ich kann es kaum fassen. Ich sage sarkastisch: »Haben Sie vielen Dank, wenn man das unter diesen Umständen sagen kann.«
    Der Direktor ist nun auch ein bisschen erleichtert, als er sieht, dass meine Gesichtsfarbe normal wird, weil er sich auf der anderen Seite natürlich auch im Klaren darüber ist, dass wenn wiederum mir im Vollzug was passiert, das auch Scheiße für die Anstalt ist. Wenn ich mich in der Anstalt erhänge, ist das eine Katastrophe. Wenn mich jemand umbringt, ist das ’ne Katastrophe. Wenn ich jemandem was tue, ist das ’ne Katastrophe. Einer wie ich ist grundsätzlich nicht gut für die Anstalt. Als Gefängnisdirektor möchtest du niemanden, der ständig unter Pressebeobachtung steht, in deiner JVA haben. JVA s lieben es, wenn sie geräuschlos laufen können. Da soll nichts nach draußen gehen.
    Ich verabschiede mich von meinem Anwalt, der mir noch mal sagt, das Leben geht weiter und so, aber daran störe ich mich jetzt nicht mehr. Ich bin wieder voll bei Sinnen und marschiere über den Gang und sozusagen ganz und gar freiwillig zurück in den Bunker. Ich lege mich mit dem Rücken auf das kalte, tote Edelstahlbett, und dann falle ich in so eine komische Traumwelt. Ich schlafe nicht richtig, aber ich bin in so einer Traumwelt drin und denke: So, jetzt hast du wirklich nichts mehr. Jetzt hast du gar nichts mehr. Jetzt ist sozusagen einfach nur noch dein Körper da, der Rest ist wirklich weg. Das ist ja auch eine Chance. Jetzt wird es für jeden, der dir zukünftig im Leben blöd kommen will, richtig schwierig, dich noch zu beeindrucken. So habe ich es mir schon vor Langem auf den Arm tätowieren lassen – »unbeeindruckt«. Langsam fange ich an, es auch zu sein.
    Nach einer halben Stunde geht die Zellentür auf und der Bereichsleiter kommt mit einem anderen Beamten herein. Er meint, wir gehen jetzt gemeinsam rüber ins Haus A, und darum müsse er mir jetzt Armschmuck verpassen, es tue ihm leid, aber so sei das nun mal. Er nimmt seine Handschellen vom Gürtel, ich lege meine Arme auf den Rücken

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