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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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gerade total unwissend im Auto auf dem Weg hierher sein dürfte und wie ich ihr gleich sagen muss, dass wir uns nicht sehen werden, heute nicht und für sehr lange Zeit nicht. Völlig klar, dass damit jetzt meine Beziehung im Arsch ist, aus, vorbei, Ende.
    Der Direktor schaltet seine Stimme nun zur Abwechslung mal auf hilfsbereit: »Da drüben steht ein Telefon. Das können Sie benutzen für diesen Anruf. Rufen Sie bitte niemand anderen an.«
    Dann stehen er und der Bereichsleiter auf und schließen fast geräuschlos die Tür hinter sich. So ist es, wenn sie dir sagen, dass du Krebs hast, denke ich noch, und im nächsten Moment kriege ich meinen Nervenzusammenbruch. Bei mir brechen voll die Dämme, die Tränen laufen mir runter, und meine Knie zittern unterm Tisch. Ich bin jetzt richtig drüber.
    »Herr Stein, jetzt beruhigen Sie sich erst mal«, sagt mein Anwalt. Wieder so ein Tipp von ihm, der voll ins Leere geht.
    Ich sag: »Herr Dr. Schröder, bitte lassen Sie mich kurz in Ruhe. Ich muss da jetzt anrufen. Bei mir bricht gerade komplett die Welt zusammen, da geht gar nichts mehr.«
    Ich gehe rüber zum Telefon, es ist auch noch rot. Für Notfälle, denke ich, und damit rufe ich jetzt also meine Süße an. Ich höre, wie es bei ihr klingelt, dann höre ich ihre Stimme.
    Ich sage: »Süße …«
    Aber da laufen mir auch schon wieder die Tränen runter, und sie versteht nur, dass irgendwas scheiße ist.
    Ich sage: »Süße, ist da ein Parkplatz? Fahr mal rechts ran.«
    Und sie: »Ja, Oli, ich fahr ran.«
    »Ich will nicht, dass du einen Unfall baust.«
    »Schatz, was ist denn los?«
    »Das ist der schlimmste Moment meines Lebens.«
    Ich erkläre ihr, dass sie nicht kommen muss, weil ich sie heute nicht sehen kann, und dass ich nicht weiß, wann ich sie überhaupt jemals wiedersehen werde, und ob wir vielleicht besser Schluss machen sollten, jetzt, sofort auf der Stelle. Aber sie bleibt ganz ruhig, und sie weint auch nicht, sie sagt nur, dass sie auf jeden Fall kommen wird, auch wenn sie mich nicht sieht.
    Und ich: »Hörst du mich nicht? Ich sitz im Bunker!«
    Aber sie: »Das ist mir egal.«
    Und ich: »Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich hab das alles nicht gewusst. Wenn ich das gewusst hätte, was hier passiert, ich hätte dich nie angesprochen, glaub mir.«
    »Das schaffen wir jetzt auch noch.«
    »Aber das macht doch alles gar keinen Sinn.«
    »Nein, wir schaffen das.«
    Sie sagt das immer wieder, dass wir das schaffen, immer wieder, bis ich auflege, und ich denke, dieses kleine Mädchen hat so viel Mut und weiß überhaupt nichts von der Welt, und dann sitze ich da und heule, und mein Anwalt legt mir die Hand auf die Schulter, damit ich mich beruhige, aber ich beruhige mich nicht.
    Das Gefängnis macht mir gerade das Einzige kaputt, was mir etwas bedeutet, und ich kann nichts dagegen tun. Ich merke, wie dieses Entsetzen und diese Hilflosigkeit in mir eine mordsmäßige Wut auslösen, dass ich einerseits völlig gebrochen und andererseits gerade brandgefährlich bin. Das ist nämlich der Grund, warum die dich in so eine stabile Zelle stecken, weil es unter solchen Bedingungen sehr oft zu Kurzschlussreaktionen kommt. Du hast das Gefühl, du wirst gefickt, gefickt, gefickt, und irgendwann ist mal Ende. Du bist nur noch im Hier und Jetzt, du bist nur noch in dieser ausweglosen Emotion. Du siehst keine Zukunft mehr. Du hast auch nicht das Gefühl, dass irgendjemand um dich rum, sei es deine Freundin oder der Anwalt, dir noch irgendwie helfen kann. Du sitzt allein in dieser Scheißsituation. Der Anwalt fährt gleich mit seiner S-Klasse nach Hause. Und die beiden anderen Vögel gehen essen. Aber ich sitze im Bunker. Da finde ich natürlich, dass die allesamt überhaupt keine Daseinsberechtigung haben. So kalt, wie die sind. Später werde ich noch sehen, dass diese Art von Gefühlsausbrüchen im Knast immer voll nach hinten losgehen. Aber eben, wenn ich da eine Pistole dabeigehabt hätte, voll möglich, dass ich einfach alle in dem Zimmer erschossen hätte, plus mich selbst.
    Mein Anwalt sagt: »Easy, Herr Stein, easy. Sie müssen ruhig bleiben. Auch für Sie wird es ein Morgen geben.«
    Und da reicht es mir: »Herr Dr. Schröder, soll das eine Verarschung sein? Was hab ich denn gemacht? Hab ich Menschen umgebracht oder sonst irgendwas? Ich komme hier in die Anstalt, ich stelle mich freiwillig. Und jetzt geht’s hier so ab.«
    Da sagt mir mein eigener Anwalt: »Ja, bei Ihnen, Herr Stein, wann immer es hätte gut, mittel

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