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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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auf das Wecken, das Frühstück, das Mittagessen, die Postausgabe. Alle vierzehn Tage warte ich darauf, dass mir der Einkauf ausgeteilt wird, den ich ein paar Tage zuvor in dem Vordruck angekreuzt habe, auf das Ankreuzen warte ich natürlich auch. Seit einigen Tagen stehe ich auf der Warteliste für den Job als Essenausgeber, zumindest ist das die Nachricht, die ich auf mein tolles Anliegen gekriegt habe, und jeden zweiten Sonntag warte ich wie wahnsinnig darauf, dass meine Süße mich besuchen kommt.
    Heute ist es so weit. Es ist Sonntagmorgen, die Sonne scheint grau durchs Fenster in die Zelle. Wir haben April, und der Winter hört einfach nicht auf. Seit dem Aufstehen bereite ich mich mental auf den Besuch vor. Der Franz kennt das schon, der hat sich gleich in den Gemeinschaftsraum verzogen zum Fernsehen, und ich rauche, ich komm gar nicht mehr klar. Ich hab mir so viel vorgenommen, will stabil rüberkommen, männlicher, attraktiver, nicht wie letztes Mal, aber eben auch auf gar keinen Fall kalt. Ich justier mich grad noch ein, da klopft es an meine Zelle.
    »Guten Morgen, Herr Stein.«
    Da steht diese neue Beamtin, die seit Kurzem auf der Station arbeitet. Kurze Haare, blondiert, Stoppelschnitt, ’ne Lesbe, würde ich sagen. Als sie kam, ist ihr oft passiert, dass wir sie mit »Herr Beamter« angesprochen haben, gar nicht mal, um sie zu ärgern, obwohl sie sich jedes Mal natürlich wahnsinnig darüber geärgert hat.
    »Herr Stein, uns ist der Hausarbeiter ausgefallen«, sagt sie.
    Und ich noch so ahnungslos: »Ja, und?«
    Darauf sie: »Ja, und: Sie werden für den einspringen!«
    Und ich jetzt entsetzt: »Entschuldigen Sie, wie bitte, was?«
    »Sie haben mich schon verstanden.«
    »Aber ich bekomm heut Besuch!«
    »Ja, ist egal. Dann putzen Sie eben davor und danach.«
    Ich versuch mich dumm zu stellen, ich hab keinen Bock auf Stress mit der Lady, aber ich werd jetzt auch nicht anfangen, Toiletten zu putzen, ich will einfach nur meinen Besuch haben, also sag ich ihr, Hausarbeiter, da weiß ich gar nicht, wie das geht.
    Da sagt sie: »Darum bin ich ja hier. Ich werd’s Ihnen zeigen.«
    »Aber es muss doch jemanden geben, der das schon mal gemacht hat«, sag ich schon genervt, »irgendeinen Springer.«
    Und sie: »Nee, eben nicht, sonst wäre ich ja nicht bei Ihnen.«
    In den letzten Wochen hab ich das mit meinen Emotionen eigentlich immer sehr gut auf die Reihe gekriegt. Ich hab nicht mal ’ne Schranktür geschmissen, wenn ich wütend war. Maximal der Franz hat was abbekommen, aber der ist ’ne Geldstrafe, die sind das gewohnt. Jetzt freu ich mich nur auf ’nen entspannten Sonntag mit meiner Süßen, da muss diese Lesbe hier reinkommen und auf blöd Krieg mit mir anzetteln.
    Ich sag ihr also an: »Kann schon sein, aber ich bin persönlich auf Stand-by zur Essenausgabe, dafür bin ich eingeschrieben, und ich hab auch keine Lust, Hausarbeiter zu machen.«
    Und sie geht richtig ab: »Was haben Sie gerade gesagt?«
    Ich versuch noch ein bisschen Fahrt rauszunehmen: »Ja, ich mein, das kommt für mich jetzt ein bisschen aus heiterem Himmel.«
    Aber es ist schon zu spät. Ich bin über der Linie. Ich kann nicht mehr zurück. Ich zieh das jetzt durch.
    Sie schreit: »Das heißt, Sie verweigern die Arbeit?«
    Und ich: »Genau richtig.«
    Da dreht sie sich um, knallt meine Zellentür zu und ist weg. Ich denk nur, alter Schwede, was hab ich der denn getan? Rastet die aus, weil ich mal ’ne falsche Vokabel benutzt hab? Na super.
    Zwei Minuten später reißt sie die Zellentür wieder auf, Kopf hochrot, irre aufgebracht, aber ihre Stimme ist ganz fest.
    »Herr Stein, ich weiß nicht, wie lange Sie schon hier sind, aber Sie scheinen mir nicht ganz begriffen zu haben, wie so ein Vollzug funktioniert. Also erklär ich Ihnen das noch mal. Die Tür nach draußen öffnet sich hier nur, indem man zeigt, dass man mitarbeiten will. Was Sie machen, ist Arbeitsverweigerung ersten Grades. Damit fallen Lockerungen für Sie selbstverständlich aus. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag.«
    Und weg ist sie.
    Bis zu der Situation hatte ich wenig mit weiblichen Beamten zu tun gehabt, obwohl sie ganz normal im Männerknast eingesetzt werden. Keine Ahnung, wer sich das ausgedacht hat, aber meiner Meinung nach bringt das nur Ärger. Im Regelvollzug hatten wir zwei Mädels aus der Heavy-Metal-Gothic-Szene, dick und voll tätowiert, die haben da ihren weiblichen Narzissmus im Knast befriedigt. Die sind abends, wenn so Vögel wie die

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