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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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die ganze Nummer hat mich so aufgebracht, dass ich keinen besseren Eindruck hinterlasse als beim letzten Mal. Ich wollte männlich rüberkommen, stattdessen muss ich ihr erzählen, dass, wenn sie draußen ins Auto steigt, hier noch ’n paar zu schrubbende Klos auf mich warten.
    Als ich endlich damit durch bin, hat die Furie längst Schichtende. Aber sie hat einen Vermerk geschrieben, ihr Kollege ist informiert und läuft mit mir die ganze verdammte Station ab.
    Er so abschließend: »Da hab ich schon Besseres gesehen.«
    Und ich: »Ja, ich mach das heute zum ersten Mal.«
    »Anscheinend haben Sie hier vorher Randale gemacht.«
    »Ich hab überhaupt keine Randale gemacht, ich hab einfach gesagt, dass ich … ach, egal, vergessen Sie’s.«
    Am nächsten Tag werde ich um neun Uhr morgens zu Herrn Karl ins Büro gerufen. Der Oberboss trägt wieder eins von seinen rosa Hemden, aber diesmal sieht er darin nicht frisch, sondern besorgt aus. Er bietet mir keinen Platz an, also bleib ich vor dem Schreibtisch stehen, während er in irgendeinem Bericht blättert. Ich denk, jetzt wird er mich gleich heftigst zusammenbrüllen, aber er spricht mit mir ganz ruhig, wie mit einem ungezogenen Kind.
    »Herr Stein, ehrlich gesagt, verstehe ich Sie nicht.«
    Er meint, er sei mir mit dem Job als Essenausgeber entgegengekommen, ich stehe ja auf der Warteliste, aber nun, wo eine Beamtin nur mal eben prüfen wollte, wie ich auf das Entgegenkommen reagiere, habe er einen Bericht vorliegen, in dem vermerkt sei, dass ich hier offensiv die Arbeit verweigere.
    Ich denk, was heißt denn hier entgegengekommen? Wenn ich das schon höre: entgegengekommen. Ich hab das Anliegen halt ganz gut formuliert und noch ’ne Empfehlung von Herrn Wetzel aus der Metzgerei organisiert, und das, absurd genug, alles nur, damit ich Essen austeilen darf. Wow, Leute, tausend Dank!
    Aber der Karl sagt: »Und darum sind Sie jetzt, bevor Sie Essenausgeber werden, am Wochenende erst mal Hausarbeiter.«
    Ich weiß, wenn ich jetzt was sage, dann mach ich alles kaputt, dann nimmt der Karl mich aus dem Arbeitsdienst raus. Die Alte hat Arbeitsverweigerung in ihren Bericht reingeschrieben, das ist halt einfach ’ne Steilvorlage für jegliche Erziehungsmaßnahme gegen mich. Also sag ich besser nichts, trab auf meine Zelle zurück und muss schon wieder die Stereoanlage voll aufdrehen.
    Normalerweise gibt es für jede Station zwei Hausarbeiter, einen Vorarbeiter und einen Assistenten. Der Vorarbeiter ist so was wie der Platzwart. Das war auf unserer Station so ein mieser Österreicher, der seine Funktion innerhalb kürzester Zeit völlig verinnerlicht hatte, der blühte richtig auf. Das hatte ich auch schon in der Metzgerei gesehen, dass die Gefangenen auf einmal akribischer werden als die Beamten, sobald sie irgendwas zu sagen haben, und unter jedem Tisch extra nach Fett gesucht haben, obwohl der Beamte schon längst gemeint hatte, dass alles tipptopp sauber ist. Der Österreicher jedenfalls kam uns immer damit, was wir in der Zelle noch aufräumen sollen, bis ich ihn mal gewarnt habe.
    »Dicker, noch so ’ne Ansage, und es scheppert«, meinte ich.
    Die zweite Sache, die du bei jedem Gefangenen, der ’nen Job bekommen hat, beobachten kannst, ist, dass er sich Diener sucht, die diesen Job für ihn machen. Unser Österreicher zum Beispiel hatte einen Ungarn angelernt, der noch kleiner ist als er selbst, so einen Zwerg mit lustiger Fistelstimme. Der ist sein Assistent, was im Endeffekt nur heißt, dass er die ganze Arbeit machen muss und total gefickt ist. Der Zwerg putzt, und der Vorarbeiter geht währenddessen von Zelle zu Zelle und macht seine Geschäfte. Der hat dem Rumänen, den alle nur den Pitbull nennen, letztens beispielsweise das Desinfektionsmittel vertickt, wo achtzigprozentiger Alkohol drin ist, von dem der arme Pitbull dann so viel getrunken hat, dass sie ihm den Magen auspumpen mussten. Aber Pitbull hat sein halbes Leben in Rumänien im Knast gesessen und ist daher einiges gewohnt. Mit den zweihundert deutschen Wörtern, die er hier gelernt hat, erklärte er mir mal, wie es in einem Knast in Rumänien aussieht. Ehrlich gesagt, eine der schlimmsten Geschichten, die ich je in meinem Leben gehört habe. Es relativiert auch meine Sicht auf den eigenen Vollzug. Ich versuche Selbstmitleid, dem man in ’ner JVA nur allzu leicht verfällt, gegen Demut zu tauschen. Mal gelingt es, mal nicht, aber es ist der richtige Ansatz.
    Die nächsten vierzehn Tage übernehm ich

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