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normalerweise in der Dorfdisko stehen und nicht beachtet werden, auf die Station spaziert und haben ’n bisschen Smalltalk gehalten. Da stehen dann plötzlich vierzig, fünfzig Männer um die rum und gaffen. Es gab da diesen kleinen Italiener, ein echter Charmeur, der ist immer zu denen hin, hat sich vor ihnen aufgebaut und ist sich durch die frisch gewaschenen Haare gefahren.
Er immer so: »Und, wie seh ich aus, Frau Beamtin?«
Und die so: »Du siehst aus wie’n Gefangener.«
Und er grinst so: »Ich seh doch nicht aus wie’n Gefangener.«
Und die: »Aber original.«
Da meinte er dann immer, er könne ja so gut Pasta kochen, ob sie ihn mal auf seiner Zelle besuchen wollen, er schreibt auch ein Anliegen für eine Kerze. Wir haben auf dem Boden gelegen vor Lachen. So was ist ja auch immer ein bisschen gefährlich.
Wenn eine weibliche Gefangene im Frauenknast einen Beamten anmacht, dann interpretiert der das nicht als persönlichen Angriff. Der geht nicht zum Bereichsleiter und sagt: Hey, die hat mir angeboten, mir einen zu blasen, ich möchte da jetzt ’ne große Nummer draus machen. Das macht keiner. Aber ein männlicher Gefangener hat nicht die Möglichkeit, zu ’ner Beamtin zu sagen: Hey, komm mal vorbei, Kleine, ich spiel dir ’n bisschen an deiner Dose rum. So ’ne Nummer kann nur nach hinten losgehen.
Nun war ich der unterfickten Lesbe von eben aber überhaupt nicht auf die Art gekommen. Ich hatte nur einfach keinen Bock, die Kacktoiletten zu putzen. Es gibt auf der Station so viele Gefangene, die nicht arbeiten. Der Andi sitzt seit Wochen auf der Zelle und sagt, lass das mal die anderen machen, ich muss hier nicht rumstressen, ich hab genug Geld für meinen Einkauf.
Ich merk, wie Ärger in mir aufsteigt, und drehe die Stereoanlage auf, um meine Gedanken nicht zu hören. Die Alte schreibt jetzt hundertprozentig einen Bericht, ganz sicher. Das ist kein Zufall, dass die zu mir gekommen ist. Die hatte es persönlich auf mich abgesehen, die dachte, den Stein catche ich mir jetzt mal. Und ich hab zu dem Zeitpunkt unter den Beamten überhaupt kein Standing, ich kenne keinen von denen namentlich, geschweige denn, dass mal geflachst wurde. Die sind bisher für mich alle Fremde oder Feinde, und das bin ich für die natürlich auch.
Ziemlich schnell komme ich zu dem für mich logischen Entschluss, dass, egal wie sehr mich das alles aufgeregt, ich keine andere Möglichkeit habe, als jetzt zur Zentrale zu gehen, wo die Alte wahrscheinlich grade vor sich hin dampft, und der zu sagen, dass ich jetzt sofort Hausarbeiter mache. Ich hab meiner Freundin versprochen, dass ich hier drin keine Scheiße baue, und da ist das die einzige Möglichkeit, das noch irgendwie rumzureißen.
Einen Moment später stehe ich vor der Zentrale und klopfe an die Panzerglasscheibe, aber die Beamtin macht mir nicht auf, die guckt mich gar nicht an, die starrt total wutentbrannt auf einen Monitor. Ich hör auf zu klopfen, stell mich vor die Tür und warte. Ich warte fünf Minuten, zehn Minuten, fünfzehn. Irgendwann macht sie wie eine Furie die Tür auf und fragt, was ich will.
Ich nun so voll einsichtig: »Wissen Sie, das ist mir schon klar, dass man hier arbeiten muss oder sollte. Ich persönlich will ja arbeiten, deswegen hab ich ja auch ein Anliegen geschrieben. Der Grund, warum ich mit Ihnen gerade so gesprochen habe, warum ich gesagt hab, ich hab keine Lust, ist einfach, weil ich wirklich in dem Sinne echt keinen Plan vom Hausarbeiter habe.«
Eine halbe Stunde später stehe ich mit Wischmopp, Eimern, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel auf dem Gang. Die Alte hat mich bis auf den Scheuerlappen genau gebrieft, wie ich was anzuwenden habe. Jetzt soll ich die ganze Station putzen, einschließlich Toiletten, Küche und Gemeinschaftsraum.
»Ich schau mir das alles nachher an«, sagt der Besen.
Ich denke, leck mich doch mit deinem kompletten Hausarbeitermist am Arsch. Aber ich will sie nicht noch weiter reizen.
Also sag ich: »Is schon klar.«
Danach sehe ich die Beamtin nicht mehr. Dafür gucken mir ein paar Gefangene beim Gangwischen zu, was, wie ich feststelle, ’ne Wissenschaft für sich sein kann, wenn man es gut machen will.
Als die Besuchszeit beginnt, bin ich immer noch nicht fertig. Die Beamtin erlaubt mir aber, zu unterbrechen. Ich leg schnell ein bisschen von dem Parfüm auf, das ich von Andi bekommen habe, um nicht nach Putzmittel zu stinken, und dann sitzen meine Süße und ich wieder in diesem Kellerraum. Aber
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