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schlägt zuerst zu, sind andere Leute beteiligt, kommt noch einer von hinten, wann hört die andere Person auf. Reicht’s, wenn du am Boden liegst? Oder musst du um dein Leben fürchten? Und dann hab ich auf einmal gewonnen, die andere Person kriecht in eine Ecke, und ich steh da, bestell mir ein Bier und guck noch mal, wer hat das alles gesehen, wissen die jetzt Bescheid, dass ich der Held bin. Wenn’s andersrum läuft, ist es natürlich ’ne Vollkatastrophe. So war das immer, wenigstens draußen.
Ich gehe aus der Zelle. Ich sag dem Beamten in der Zentrale, dass ich noch mal auf die 3. Station muss. Ich nehm die Treppe. Ich laufe über den Gang, den ich gerade noch geschrubbt hab. Ich bleib vor Zelle 211 stehen. Ich klopfe gegen die Tür. Falsch, ich trommle gegen die Tür. Der Marok macht auf. Ich trete ein. Ich steh in seiner Zelle. Es ist nur ein Schritt, aber es macht einen riesen Unterschied, ob du vor oder in einer Zelle stehst. Für mich, aber auch für den Marok ist das ein komplett anderes Gefühl.
Ich sag ihm ganz klar: »Ich hab gehört, du hast was aus dem Fenster gebrüllt, ja? Du hast mich beleidigt? Was soll das, Alter? Findest du das witzig?«
Der Marok ist zwei Zentimeter größer als ich, er hat tendenziell sogar ’n bisschen mehr Masse. Aber das ist mir zu dem Zeitpunkt eigentlich scheißegal. Andi meinte, er sitzt wegen Drogen. Keine Ahnung, wie viel Kampferfahrung der da gesammelt hat, aber er ist schon mal auf keinen Fall körperlich schwächer.
Er sofort aggressiv: »Was redest du für eine Scheiße? Was machst du überhaupt auf der Station? Was machst du in meiner Zelle? Verschwinde, du Pisser!«
Ich versuch ruhig zu bleiben: »Alter, ich will das von dir geklärt haben. Also überleg genau, was du gesagt hast.«
Ich stehe da, ich starre ihn nieder, richtig sauer, mir treten am Hals fett die Adern raus, aber er entschuldigt sich nicht.
Er: »Raus aus meiner Zelle oder willst du, dass es kracht?«
Ich: »Alter, laber keine Scheiße! Sag mir, was hier los war! Sonst kracht es gleich wirklich.«
Ich red mich voll in Rage und schrei den Marok zusammen, der steht keine zwei Meter weg von mir, da taucht rechts hinter mir in der Tür auf einmal so ’n anderer Typ auf. Ich sehe nur aus den Augenwinkeln, dass er nicht gerade klein ist. Er mischt sich ein, als sei er hier der Sheriff.
Er so scharf: »Was ist hier los?«
Ich gleich: »Halt du dich hier raus, Alter!«
Aber er hört nicht auf: »Hey, was gehst du in die Zelle rein? Was machst du hier die Leute an?«
Ich sag: »Sei ruhig!«
Ich schau zwischen dem Typen und dem Marok hin und her, und in dem Moment, wo der Marok sieht, einer hilft ihm, fängt er überlaut das Gezeter an von wegen, ich solle ja die Fresse halten und mich verpissen. Er geht verbal voll aggressiv gegen mich vor, da fange ich an, am ganzen Körper zu zittern, aber so richtig. Das ist immer der Klassiker, kurz bevor’s bei mir losgeht.
Der Marok grinst noch: »Alter, schau mal, du zitterst schon. Verpiss dich bloß nach unten.«
Da greif ich nach der Tür und schlage sie zu.
Das war das Beste, was ich machen konnte.
Jetzt wird es ernst. So viel kriegt der Marok mit. Irgendwas in seinen Augen verändert sich. Er weicht drei, vier Schritte zurück, zur Wand, zum Fenster, und hält sich dort mit einer Hand an den Gitterstäben fest. Ich hab nicht viel Zeit, bevor die Tür wieder aufgeht und die Zelle voller Leute ist. Wenn ich auf den Typen einschlagen will, muss ich Vollgas auf ihn einschlagen.
Aber der Marok rudert zurück: »Easy, Mann, easy.«
Er sieht mich zittern, aber jetzt kapiert er, nicht aus Angst. Er sieht, ich schlag gleich zu, hundertprozentig, ich schlag gleich zu. Ich stehe mitten in der Zelle, und er ist in der Ecke.
Er schreit: »Ich war’s nicht! Ich war’s nicht! Ich hab keine Scheiße gebrüllt! Easy, Mann, komm runter.«
Da wird hinter mir die Tür aufgerissen.
Zwei Typen stehen da, der eine von vorhin und noch ein anderer. Jetzt ist die Sache gegessen. Jetzt hab ich genau das Albtraum-Szenario. Ich allein auf der fremden Station. Zwei Mann im Rücken, den Marok vor mir. Ich rechne damit, dass die Typen mich greifen und aus der Zelle rausbugsieren, ich guck mich schon um, ob ich irgendwas greifen kann, ’ne Flasche oder so.
Aber die Typen schreien nur: »Mach dich hier raus!«
Da erkennt der Marok seine Chance. Er versucht, an mir vorbeizuflitzen. Ich stehe immer noch in der Mitte der Zelle. Ich stoß ihn ganz gut gegen die
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