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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Vorstellungen davon, was ein Mann zu erreichen hat. Das läuft schon so – suchst du Frau, kaufst du Haus, brauchst du nur noch Allah und den Glauben –, aber bei vielen ist das am Ende doch nur Getexte. Die Russen verstehen bei so was keinen Spaß. Da bist du nur ein Mann, wenn du Geld hast und deine Familie verteidigen kannst, und für den Rest interessieren die sich nicht. Araber, Türken und Kurden wissen, dass sie sich die Haftzeit nur schwerer machen, wenn sie sich emotional total unter einen Kodex stellen und hier drin die ganze Zeit auf Krieg machen. Die würden immer mit einem Beamten rumblödeln, wenn sie sich damit auch nur einen kleinen Vorteil verschaffen können. Das würde ein Russe niemals machen. Die reden eigentlich nicht mal mit Gefangenen, wenn das keine Russen sind. Die gehen durch den Knast wie die Unberührbaren. Ich hab noch keinen Russen gesehen, der sich hier in irgendeiner Art und Weise kindisch benommen hätte oder peinlich aufgeführt, der einen Nervenzusammenbruch gehabt oder sonst in irgendeiner Art und Weise Schwäche gezeigt hätte. Das wäre für die wie Verrat.
    Seit Wlad bei mir in der Zelle wohnt, klopfen immer wieder ein paar dieser Kandidaten bei uns. Sie kommen rein, bleiben an der Tür stehen, reden mit Wlad ein paar Worte, die ich nicht verstehe.
    »Dobryj djen.
    »Dobryj djen.«
    »Kak djela?«
    »Choroscho.«
    Wlad geht zum Schrank, gibt ihnen Zigaretten, sie verabschieden sich und die Tür ist wieder zu. Als wär ich nicht im Raum.
    Hinterher erklärt er mir dann manchmal, dass das jetzt jemand war, der ihm eine Paketmarke vertickt hat oder für ihn ein Handy aufbewahrt, mit dem Wlad von hier drinnen seine Geschäfte steuert. Selbstverständlich sind Handys im Knast absolut verboten, einige Beamte haben so Scanner am Gürtel, mit dem sie die Teile im Umkreis von fünfzehn Metern orten können. Wenn sie was aufspüren, sitzt du sofort im Bus nach Atzleben. Es ist also ein echt hohes Risiko, was die Kollegen da für Wlad eingehen, und dafür bezahlt er sie halt mit Zigaretten. So eine Paketmarke zu verticken, wird dagegen nicht so hart geahndet, ist natürlich aber genauso wenig erlaubt. Jeder Gefangene hat halt nicht mehr als drei Pakete im Jahr frei. Aber du findest immer eine Geldstrafe, die dir für einen Koffer, das ist die Knasteinheit für fünfzig Gramm Tabak, ihre Marke verkauft, was heißt, dass sie sich auf ihren Namen deine Sachen reinschicken lässt. Offiziell muss sie das Paket natürlich selber in der Kammer abholen, aber wenn der Andi und ich morgens den Tee und den Muckefuck auf die Stationen gebracht haben, ist es kein Problem, die Lieferung abzuholen. Auf diese Weise sieht es im Schrank vom Wlad inzwischen aus wie in der Feinkostabteilung vom KADEW , da liegen Lebensmittel im Gesamtwert von zweitausend Euro, würde ich sagen. Im Grunde lebt der Wlad hier drin besser als jeder Beamte draußen.
    »Knast muss man sich leisten können«, sagt er immer.
    Darum hab ich mich zuerst so gewundert, als er fragte, ob ich ihn ins Essenausgeberteam holen kann. Aber auf das kleine Geld, das du dir da für den Einkauf verdienen kannst, hatte er es logischerweise nicht abgesehen. Es ging ihm um das T-Shirt.
    »Nur weil ich hier bin, kann ich nicht rumlaufen wie Scheiße«, sagt er, als ich wieder mit neuen Shirts aus der Kammer ankomme, während er mit seinem weinroten Oberteil dasitzt.
    Der Wlad hat echt einen sitzen bei allem, was mit Aussehen zu tun hat. Jeden Morgen macht er sein Bett, als seien wir bei der Roten Armee oder so. Wir haben keine Spannbetttücher, daher ist das immer schwierig mit der Faltenfreiheit, aber er hat da eine Methode entwickelt, wie du ein stinknormales weißes Laken zu einem Spanntuch baust. Du nimmst es hinten, machst einen Knoten rein, drehst dann das Tuch, verbindest die Knoten, und durch diese oberkomplizierte Ausdrehbewegung spannt sich dieses ganze Bett, und es sieht immer gemacht aus. Danach steht er noch eine halbe Stunde vor dem kleinen Spiegel, der in seinem Schrank klebt. Seine Fingernägel sind alle exakt gleich lang, da siehst du nie Dreck drunter, und wenn er sich an den Tisch setzt, stellt er sich seinen Aschenbecher, das Feuerzeug und die Zigarettenschachtel jedes Mal auf dieselbe Weise hin, daneben liegen immer noch ein Apfel und irgendein Dokument. Es sieht aus, als sei die Zelle ein Büro und er würde Geschäftsverkehr erledigen.
    »Kannst du jetzt besorgen weißes T-Shirt?«, fragt er also.
    Nun war die Situation die,

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