313
dass die JVA gerade ein bisschen renoviert wurde. Die Waschküche, die wir für den Tee und den Muckefuck hatten, wurde einmal komplett umgebaut. Keine Ahnung, woher die JVA auf einmal das Geld hatte, aber als der Andi und ich wieder reindurften in den Raum, standen wir vor einer riesigen Spülmaschine aus geilstem Edelstahl, so ein Profiteil, das dir innerhalb kürzester Zeit fünfzig Teller durchziehen kann. Bisher hatten sich die Gefangenen immer selber um ihr Geschirr gekümmert. Jetzt hatte die Verwaltung für das Mittagessen eigene Teller, eigene Tabletts und eigene Schüsseln bestellt, in die wir das Essen geben konnten. Die Gefangenen sollten dann nur noch ein Tablett nehmen und das ganze Zeug nach dem Essen auf einen Wagen stellen, damit wir es spülen können.
»Das ist wesentlich mehr Arbeit«, sag ich zum Scherer.
Ich steh in seinem Büro. Auf seinem Tisch liegt das Anliegen, das ich daraufhin gleich in die Schreibmaschine gehackt hatte.
»Und jetzt wollen Sie also mehr Leute?«, sagt er.
»Der Andi und ich, wir sind total überarbeitet«, sag ich.
Ich komm mir vor, als würden wir hier Gewerkschaftsführer und Arbeitgeberboss spielen. Der Scherer macht aber auch gut mit.
»Und an wen hatten Sie diesmal gedacht?«, sagt er.
Als ich dann anführe, dass der neue dritte Mann praktischerweise gleich mein Zellengenosse Wlad werden sollte, kommt mir der Scherer nur noch so halbernst damit, dass die gesamte Essenausgabe dann in den Händen von drei Kumpels läge, was überhaupt nicht gehe. Ich kontere, dass es bisher mit Andi und mir doch gut gelaufen sein, und nach zehn Minuten hab ich den Wlad drin.
Am Nachmittag darauf geht das neue Essenausgeberteam mit mir als Vorarbeiter runter zur Kammer, um ihr neues Mitglied einmal komplett ausstatten zu lassen. Andi und ich holen uns auch ein paar neue T-Shirts, als der Wlad plötzlich Ärger macht. Er steht am Tresen, auf dem ihm der Kammervorarbeiter gerade seine T-Shirts gelegt hat, und reibt den Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger, als müsse er die Qualität prüfen.
Dann schaut er auf und sagt: »Zieh ich nicht an so was.«
Der Vorarbeiter gleich gereizt: »Wieso nicht?«
Und Wlad: »Ist schlechter Stoff.«
Die drei Kollegen, die hinter dem Vorarbeiter in der Kammer stehen, grinsen sich schon einen ab. Das ist jetzt wieder so eine Situation, wo aus Nichts eine Machtgeschichte wird und der Vorarbeiter reagieren muss. Er ist so ein stinknormaler Typ Anfang vierzig, der absolute Durchschnittsmann, bei dem weißt du, der hat seine Leasingraten im Kopf, da sind alle Rentenversicherungsunterlagen aufgehoben, da ist kein Alkohol, keine Drogen und eigentlich auch kein Bezug zum Knast. Ich hab nie gefragt, warum der sitzt. Ich kenne ihn nur, weil er damals, als ich zu dem Marok in die Zelle bin, derjenige war, der an der Tür stand und sich einmischte. Danach hab ich nie wieder Probleme mit ihm gehabt. Es ist einfach wichtig, dass du guten Kontakt zur Kammer hast, allein wegen der gezockten Pakete. Du erfährst ja nie, wenn was angekommen ist, solange es nicht für dich ist. Am Ende kommt dir die Geldstrafe von wegen, sie hätte gar nichts gekriegt, während sie auf deinem Paket voll Tabak sitzt. Als letzte Woche für das Chamäleon ein Paket kam, das eigentlich für mich gedacht war, konnte ich ihm sagen, hier, pass auf, um drei wirst du auf die Kammer gerufen, da ist meine Lieferung da. Aber mit solchen Überlegungen scheint Wlad sich gerade nicht aufzuhalten.
»Hast du nicht Spann-T-Shirt?«, fragt er den Vorarbeiter.
Der antwortet knapp: »Hab ich nicht.«
Darauf der Wlad: »Dann musst du bestellen.«
Er hat dem Kammertypen auf Fabrikat und Nummer genau gesagt, was er will, und eine Woche darauf war das Zeug tatsächlich da. Seitdem läuft der Wlad die ganze Zeit in diesem eng anliegenden Leibchen herum, das aus so Stretchstoff genäht ist. Ich hab mir die grauen Hosen an den Beinen ein Stück umgenäht, damit man die weißen Socken sieht, und der Andi hat sich von draußen sogar ’ne Sonnenbrille von Ray-Ban reinschicken lassen.
In diesem Aufzug sitzen wir in der Freistunde auf der Bank, während das ganze Haus in weinroten Oberteilen an uns vorbeizieht. Wir kommen uns vor wie die Paten der Veranstaltung.
Da sagt Wlad: »Brauchen wir jetzt noch neuen Spüler.«
Ich denk erst, er meint noch irgendeine neue Maschine, aber er meint keine Maschine, er meint noch einen Menschen.
Er sagt: »Einer, der sammelt Teller ein.«
Der Andi verwundert: »Das
Weitere Kostenlose Bücher