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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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sagt er.
    »Hast du doch auch«, sag ich.
    Ich bin mir nicht sicher, ob ich da überhaupt richtig liege, und so ein Move kann bei Leuten wie ihm auch gern mal nach hinten losgehen, aber die Vermutung scheint ihm zu schmeicheln. Zum ersten Mal lächelt er, und von da an redet er auch ab und zu.
    Soviel ich verstanden habe, macht Wlad in Zigaretten. Er hat Verbindungen zu den Fabriken in Osteuropa, in denen die großen Marken ihre Ware produzieren lassen. Sobald die ihren normalen Auftrag fertig haben, lassen die ihre Maschinen für Wlad noch mal zwei Stunden länger laufen, damit der seine Laster mit Zigaretten vollmachen kann, die er dann über verschiedenste Umwege nach Deutschland bringt, unverzollt und unversteuert, versteht sich. Er ist die Art Krimineller, der wie jeder andere auch einfach seiner Arbeit nachgehen möchte, ohne Aufsehen zu erregen, nur dass er sich dabei komplett in einer Welt bewegt, in der einfach alles gegen das Gesetz verstößt. Von der Ware, über die Logistik bis hin zum Zahlungsverkehr.
    »Weiß du, Oli«, sagt er, »ich mach einfach nichts Legales.«
    Wir haben Anfang August. Es ist Freistunde. Wir sitzen draußen im Hof auf der Bank in der Sonne. Die Jungs ziehen ihre Kreise. Der Pitbull quält ’n paar Geldstrafen. Andi und Abu machen Liegestütze, und der Kupp, unser Gefängnisgärtner, passt auf, dass ihm die Junkies keine von seinen Tomaten klauen, die er entlang des Zauns gepflanzt hat.
    Das erste Mal haben die Bullen Wlad erwischt, als er statt Bargeld Kokain akzeptiert hatte, obwohl er im Drogenhandel überhaupt nicht erfahren war. Er hat drei Jahre gesessen und danach nur noch Bargeld genommen. Das zweite Mal greift ihn anscheinend zufällig eine Routinekontrolle der Autobahnpolizei auf, als er gerade in seinem Mercedes mit 105 000 Euro in einer Plastiktüte auf dem Weg zu irgendeinem Kunden ist. Er sagt den Beamten gleich, dass er eine größere Summe mit sich führt.
    »Warum haben Sie so viel Geld dabei?«, fragt der Beamte.
    Und der Wlad sagt: »Hab ich keine Kreditkarte.«
    Am Anfang haben sie also nichts gegen ihn in der Hand, aber dann finden sie im Kofferraum zweihundert Stangen von diesen Zigaretten. Nun ist der Wlad keiner, der aus dem Kofferraum raus verkaufen würde, die waren eher so als Probestangen zum Verschenken gedacht. Aber inzwischen haben die Bullen seine Akte gecheckt und weil da schon was von Drogen steht, rufen sie die Kollegen mit dem Drogenhund. Das Vieh kommt an, der Wlad steht mit auf den Rücken gefesselten Armen neben der Fahrertür, noch immer ganz gelassen, weil er weiß, dass er keine Drogen im Auto hat, da schlägt die Töle auf einmal an und beginnt wie bescheuert an der Mittelkonsole rumzukratzen. Also rupfen ihm die Beamten die gesamte Konsole auseinander und legen alles, was sie finden – Kaugummi, Schlüssel, Kugelschreiber, Einkaufswagenchip – hoch aufs Autodach, um rauszufinden, bei welcher Sache der Hund hinterhergeht. Und es ist der Kugelschreiber.
    »Da hab ich gedacht, jetzt wird große Katastrophe«, sagt Wlad.
    Ich sag: »Wieso?«
    Aber er sagt: »Wartest du Geschichte ab, Oli.«
    Er macht sich eine seiner steuerfreien Zigaretten an, die er sich von draußen schicken lässt, ohne dass ein Beamter hier drin schnallen würde, dass die überhaupt kein Steuersiegel haben. Das ist schon wieder so irre, denk ich, das glaubt mir keiner.
    »Ja, dann erzähl«, sag ich.
    »Diese verdammte Scheißhund«, sagt Wlad.
    Jedenfalls stellt sich raus, dass der Köter leider kein reinrassiger Drogenhund ist, sondern auch noch ’ne Sprengstoffausbildung hat, aber das kapieren die Beamten erst, als sie den Kugelschreiber auseinandergebaut haben und da drin eine Patrone finden. Es ist ein Kleinkaliberschießkugelschreiber, ein klassisches Russending, in dem Sinne jetzt keine effektive Waffe, du hast nur einen Schuss, der dazu noch mordsmäßig ungenau ist, aber im Nahkampf kannst du das Ding einsetzen wie ’n Bolzenschussgerät.
    An dem Tag haben die Beamten den Wlad zwar laufen lassen, aber ab da hatten sie ihn auf dem Radar, und es dauerte nur noch ein paar Wochen, bis sie die Tür seiner schönen Villa aufsprengten, die er sich am Stadtrand gekauft hatte, ihn rauszerrten und für sein Zigarettengeschäft wegen Steuerhinterziehung verurteilten. Jetzt sitzt er also schon wieder im Knast.
    Die Russen sind, was den Vollzug angeht, noch mal ’ne ganz eigene Gruppe unter den Gefangenen. Araber, Türken und Kurden haben zwar auch so ihre

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