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314 - Exodus

314 - Exodus

Titel: 314 - Exodus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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wirkte, waren seine blonden Haarsträhnen so schütter, dass die Kopfhaut durchblitzte. Rulfan betrachtete sein einfältig wirkendes Gesicht mit der breiten Nase. Wässrige blaue Augen leuchteten zwischen teigiger Haut. Er schätzte den Blonden auf vielleicht vierzig Jahre. Der Mann grinste debil und präsentierte dabei zwei Zahnlücken, sagte aber nichts.
    »Hallo«, versuchte Rulfan auch ihn das Gespräch einzubinden. Dabei wechselte er einen schnellen Blick mit Aruula, die ihm kaum merklich durch ein Kopfnicken ihr »Okay« gab. Die Männer führten nichts im Schilde. »Nein, wir kommen nicht aus Nischni-Nowgorod. Wir kommen von Afra.«
    Der Kerl mit den Zahnlücken grinste ihn nur weiter an, als verstünde er kein Wort. Sein Kumpan dagegen nickte mit schwerem Schädel. Afra schien ihm ein Begriff zu sein. »Hab noch nie gesehen so ein Ding wie Luftschiff. Ist also wahr, dass es fliegende Städte gibt in Afra?«
    Rulfan überlegte, ob er behaupten sollte, er käme im Auftrag von Pilatre de Rozier. Allerdings war fraglich, ob diese Leute überhaupt je vom Kaiser gehört hatten. »Das ist richtig«, sagte er. »Wir kommen allerdings noch weiter aus dem Norden.«
    Das Luftschiff stand inzwischen, doch Rulfan brauchte trotz aller Technik einen Mast oder Baum, an dem er es festzurren und gegen starke Windstöße schützen konnte. Wenn er noch mehr Gas abließ, reichten die Vorräte nicht mehr für den Start.
    Der Dickbäuchige lachte wieder und schulterte das Gewehr an einem ledernen Gurt. »Ich bin Juri Ivanov, und das ist Igir.« Er musterte Aruula mit einem anerkennenden Blick. »Sind alle Weiber im Norden so schön wie deine Podruga?«
    Dachte er, Aruula wäre seine Frau oder Freundin? Rulfan entschied sich, das Missverständnis nicht aufzuklären. Das schützte Aruula vor den Avancen der Einheimischen. »Nein, Aruula ist die Schönste.«
    Sie grinsten sich an. Auch Aruula lächelte geschmeichelt und spielte das Spiel mit.
    Rulfan wies auf einen verwaisten Flaggenmast, der ihm schon zuvor aufgefallen war. Er stand ein gutes Stück vom Haus entfernt, eine Fahne war nicht gehisst. »Kann ich daran mein Luftschiff festmachen?«, fragte er. Zwar sah er Aruula an, dass sie am liebsten sofort weitergeflogen wäre, aber sein Hintern bestand inzwischen aus rohem Fleisch. Er brauchte dringend eine Pause und unterdrückte ein Stöhnen, als er sich aus dem Sitz kämpfte.
    Gemeinsam vertäuten sie das Schiff am Mast. Die beiden Männer wirkten nach der ersten Anspannung locker, auch wenn Igir kaum etwas von sich gab, meistens nur grinsend nickte, und Aruula entweder auf die fellbedeckten Brüste oder den Hintern starrte. Die Barbarin ignorierte es.
    Juri zwirbelte seinen schwarzen Bart. »Willkommen auf unserer bescheidenen Scholle, Reisende. Nadeschda wird gern noch zwei Teller auflegen mehr beim Abendessen. Wir haben selten Gäste, seit wir nicht mehr leben in Nischni-Nowgorod.«
    Rulfan war taktvoll genug, nicht nachzufragen, was die Siedler denn aus diesem Nischni-Nowgorod vertrieben hatte. Waren es vielleicht die erwähnten Steuern? Es interessierte ihn auch nur mäßig. Er fühlte sich träge und müde. Die tagelange Anstrengung des Fluges steckte ihm in den Knochen. Der Gedanke an ein warmes Essen ließ seinen Magen knurren, und die Aussicht, vielleicht für wenige Stunden in einem richtigen Bett zu schlafen, wärmte ihn wie ein gefütterter Mantel.
    Er blickte noch einmal zum Luftschiff zurück. Da sich hier niemand mit solchen Fahrzeugen auskannte, war nicht anzunehmen, dass jemand die JUEFAAN stehlen würde. Er folgte also Juri Iwanov in das flache Haus, das dieser stolz sein Heim nannte. Schon an der Tür roch er Rauch, Fischtran und einen Dunst von Wodka, gemischt mit dem verheißungsvollen Duft von gebratenem Fleisch.
    Als sie eintraten, kam ihnen eine hochgewachsene schlanke Gestalt mit schwarzer Haut und Glatze entgegen. Rulfan zog die Augenbrauen zusammen. Er konnte beim besten Willen nicht sagen, ob er einen jungen Kerl vor sich hatte, oder eine Frau. Wie Xij wirkte die Person durch und durch androgyn.
    Allerdings ist sie lange nicht so hübsch wie Xij , ertappte sich Rulfan zu denken und sah dabei gleichzeitig ein wenig schuldbewusst Myrials schöne Züge vor sich. Hoffentlich ging es seiner Frau und seinen Kindern, von denen er eines gerade erst kennen gelernt hatte, gut.
    »Ich bin Jubov«, stellte sich die Frau – wenn es denn eine war – mit dunkler Stimme vor.
    Rulfan schüttelte ihre vernarbte Hand

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