33 - Die Werwölfe von Kregen
weiterentwickelt. In der Phalanx mochte zwar noch kein eigenes Gesetz gelten, doch erledigte man dort die Dinge gern auf eine ganz eigene Art und stand für diese Art ein – auf dem Schlachtfeld wie auch sonstwo. Das ist vermutlich eines der Dinge, die man in Kauf nehmen muß, wenn man eine Elite schafft.
Wenn ein Mitglied der Phalanx ein bedauerlicher Werwolf war, würde die Phalanx die Sache regeln. Queyd-arn-tung!
Aber trotzdem – einmal angenommen, Nugos der Ahnungslose war kein Werwolf? Was dann?
Auf einfache Fragen schüttelte Nugos nur den Kopf. Was die Ereignisse anging, antwortete er ganz offen. Er erinnerte sich an nichts seit dem Augenblick, da Fonrien der Haken losgegangen war, um Wein zu holen, bis zu dem Augenblick, da er sich blutbefleckt am Boden hockend wiedergefunden hatte. Er ging davon aus, daß er hinter dem Werwolf hergehetzt war und sich dabei verwundet hatte, ehe er schließlich das Gedächtnis verlor.
»Wahrscheinlich war es so«, sagte Nath na Kochwold.
Sie alle, wie sie da in dem großen Zelt versammelt waren, wußten, daß der Herrscher von Vallia die Folterung als Mittel der Informationserlangung nicht duldete. Nicht einmal jetzt kam ich in Versuchung, auf dieses widerliche Mittel zurückzugreifen.
Als Nugos ins Wachzelt geschafft worden war, sagte ich: »Wir müssen versuchen, diesen Fall zu unserem Vorteil umzudrehen. Baut eine Hütte – kein Zelt – mit zwei Räumen. Laßt dazwischen ein Beobachtungsloch. Nugos kommt in eine Hälfte, von der anderen her wird er beobachtet. Natürlich muß er stets von ausreichend Leuten bewacht werden.«
»Und wer spielt den Köder?« Seg stieß natürlich sofort zum Kern des Problems vor.
»Ein Audo eurer Kämpfer mit dudintergerüsteten Pfeilen müßte ihn aufhalten können. Die Wache soll sich zum Eingreifen bereithalten. Ja, ich glaube, man könnte sich bei den Jikai-Vuvushies nach einer Freiwilligen umsehen.«
Nun ja, so widerlich das alles auch war – es geschah.
Der arme Nugos der Ahnungslose! Ein passender Name, o ja!
Ein schlankes wendiges Mädchen, deren Figur im ledernen Kampfanzug besonders gut zur Geltung kam, trat vor. Minci Farndion, Deldar des neuen Garderegiments, meldete sich sofort freiwillig und war damit nur einen halben Herzschlag schneller als ihre Gefährtinnen.
Ich hatte nicht den Wunsch, dem unangenehmen Versuch beizuwohnen. Die Phalanx, die eifersüchtig über ihre Stellung und Privilegien wachte, regelte alles allein. Minci besuchte den Gefangenen mit einem Tablett voller Speisen. Der arme Nugos verwandelte sich und wurde augenblicklich von Pfeilen getroffen und von Dudinterklingen niedergestreckt; die auf der Lauer liegenden Wächter zögerten nicht.
Nun ja, wenn ich die Ursache dieses Kummers und Leids war, würde ich nichts unversucht lassen, die schrecklichen Dinge aufzuklären – aber Szenen wie diese, o nein, sie schmeckten mir nicht, bei Krun!
Wir konzentrierten uns wieder mehr auf unseren Kampf gegen Layco Jhansi, verstärkten die Flugpatrouillen und erwischten zwei seiner Einheiten bei Hinterhalten. Allmählich hatten wir das Gefühl, daß er vorsichtiger operierte, und beschäftigten uns mit dem Gedanken an einen kühneren Vorstoß auf Vennar-Gebiet.
Etwa um diese Zeit erreichte uns die Nachricht, daß sich Natyzha Famphreon, die Kov-Witwe von Falkerdrin, gegen ihre Krankheit aufbäumte. Sie klammerte sich mit einer Beharrlichkeit ans Leben, wie ich sie bei ihr schon von früher kannte. Ein zäher alter Vogel war Natyzha. Obwohl sie sich als erklärte Racteranhängerin gegen mich gestellt hatte, hatte ich das Gefühl, daß die Welt etwas verloren hatte, als sie schließlich doch dahinschied.
Khe-Hi stellte klar, daß er wie Deb-Lu von Zeit zu Zeit ein kurzes Aufflackern okkulter Kräfte spüre.
»Diese Erscheinungen treten zufällig auf, San?«
»Ja, Dray. Ich glaube, sie haben mit dem Ganchark-Phänomen zu tun.«
»Ich auch. Aber wer ...?«
»Wenn er nicht tot wäre, wüßte ich sofort, wen ich da nennen müßte, bei Hlo-Hli!«
»Frau und Kind sind noch am Leben.«
»Dann müssen sie es sein.«
»Das fürchte ich auch.«
Khe-Hi zupfte an der karmesinroten Schnur, die ihm die Hüfte umspannte. Sein glattrasiertes Gesicht war traurig und grimmig zugleich. Er sagte: »Deb-Lu und ich haben im Lauf der Perioden für Vallia wirkungsvolle Verteidigungsmöglichkeiten geschaffen – und auch für dich, das weißt du. Aber jede Verteidigung ist zu überwinden, wenn der Gegenstoß hart und
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