34° Ost
stimmen, soweit sie überhaupt Aufschluss über den Sachverhalt geben. Die Fenster des russischen Konsulats in San Francisco wurden mit Steinen eingeschlagen, und die ägyptische Botschaft in Washington ersuchte um besonderen Polizeischutz, den sie auch erhielt. Ich glaube, es kam zu einigen Zwischenfällen, an denen Intellektuelle und die üblichen Möchtegern-Revolutionäre beteiligt waren. Und ganz ehrlich, Sir, in diesem Fall kann ich den Demonstranten keinen Vorwurf machen. Die eigentlichen Unruhestifter sind die Massenmedien, die kritiklos Gerüchte verbreiten, aber das tun sie ja leider immer. Wenn ich auf Anhieb die Haltung der Bevölkerung einschätzen sollte, würde ich sagen, die Amerikaner sind erbittert – und diese Erbitterung wächst. Der Tod des Präsidenten hat uns alle schwer getroffen, und die Vermutung, dass auch Mr. Bailey etwas zugestoßen sein könnte, muß zwangsläufig viele Menschen in Unruhe versetzen. Doch im großen und ganzen bleiben sie gefaßt und sehen allen Möglichkeiten mit Entschlossenheit entgegen.«
Beal hatte das Gefühl, als wate er in Treibsand. »Entschlossenheit« – zu welchen Schritten? Die alptraumhafte Ruhe der Stabschefs war noch beängstigender als die labile Haltung der Öffentlichkeit.
Ainsworth betrachtete wieder interessiert die Computerprojektionen. Auch Beal starrte diese leuchtenden Zeichen an, beseelt von dem Drang, sie zu enträtseln. Das war wichtig, mehr noch: es war lebenswichtig. Wenn er nun wirklich Präsident war, mußte er Bescheid wissen. Aber obwohl ihn das phosphoreszierende Linienspiel auf den Bildschirmen in Bann zog, ja fast hypnotisierte, blieb es für ihn völlig unergründlich.
Auf ein Lichtsignal schaltete der Admiral die Gegensprechanlage ein, und eine körperlose Stimme sagte: »Botschafter Kornulow bittet um eine Unterredung mit Mr. Beal, Sir. Das Außenamt hat ihn an uns verwiesen.«
»Wo ist der Stellvertretende Verteidigungsminister?«
»Unterwegs zum Catoctin-Berg, wie Sie vorschlugen, Sir.«
Ainsworth überlegte kurz, ehe er antwortete: »General Frierson soll sich mit Kornulow persönlich in Verbindung setzen und ihm mitteilen, dass der amtierende Präsident zur Zeit unabkömmlich ist. Besondere Umstände und so weiter Frierson wird schon wissen, was er sagen soll.«
»Ich sollte schon selbst mit Kornulow sprechen, Stuart«, warf Beal ein. »Vielleicht gibt es eine plausible Erklärung dafür, warum uns die Russen nicht vor den arabischen Guerillas gewarnt haben. Ich meine wirklich, dass ich ihn empfangen müßte …«
»Es wäre nicht günstig, wenn Sie sich in Diskussionen mit einem ausländischen Diplomaten einlassen, bevor wir einen Lagebericht von General Trask erhalten. Sie verstehen mich doch, Sir?«
Die ferne Stimme sprach weiter, ganz neutral und unpersönlich. »Das Außenamt informiert uns auch, dass der Generalsekretär der UNO mehrmals anrief und um einen Termin mit dem amtierenden Präsidenten ersuchte. Unser Mann bei der UNO und der neue Botschafter Kerjakin möchten beim Generalsekretär eine Sondersitzung des Sicherheitsrates beantragen. Alle unsere UN-Delegierten bitten dringend um Richtlinien.«
Beal warf Admiral Ainsworth einen furchtsamen Blick zu. Der amerikanische UN-Botschafter war ein alter politischer Kampfgefährte des verunglückten Präsidenten, ein Texaner namens Wilmot, der aus seiner Geringschätzung für Beal kein Hehl machte und gewiß sofort zu gemeinsamen Schritten mit seinem sowjetischen Kollegen bereit wäre, um eine außerordentliche Sitzung des Sicherheitsrates zu erwirken. Doch selbst auf die Gefahr persönlichen Prestigeverlustes hin wollte Beal sofort die Chance wahrnehmen, Verantwortung abzuwälzen. »Stuart, wenn Sie glauben, ich sollte nicht mit Kornulow sprechen, einverstanden. Aber den Generalsekretär …«
Ainsworth sagte in die Sprechanlage: »Teilen Sie Botschafter Wilmot mit, dass es der amtierende Präsident nicht für geboten hält, die Fälle zum gegebenen Zeitpunkt vor den Sicherheitsrat zu bringen. Eine Sondersitzung wäre verfrüht und würde nur Beunruhigung auslösen. Sobald wir ein klareres Bild der Ereignisse auf Sinai haben, wird der amtierende Präsident den Botschafter entsprechend instruieren.« Er schaltete aus und sagte zu Beal: »Die Sowjets haben schon oft die UNO gegen uns ausgespielt. Es wäre für uns sehr nachteilig, ihnen jetzt wieder eine Handhabe zu bieten.«
»Aber die Sitzung wird sowieso stattfinden.«
»Mit welcher Tagesordnung, Sir?
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