34° Ost
der Hundert-Faden-Linie lauern. Wenn diese Boote auf Raketenabschußtiefe zu gehen versuchen, scheuchen wir sie einfach davon. Es hat den Anschein, dass unsere Freunde provozieren wollen.«
»Ehrlich gesagt, Admiral«, sagte Beal, mit einem Versuch, Autorität zu zeigen, »habe ich den Eindruck, dass eher wir es sind, die provozieren.«
Ainsworth fixierte ihn mit kalten Augen. »Müssen wir Ihnen nochmals auseinandersetzen, was auf Sinai geschehen ist, Sir? Muß ich Sie daran erinnern, dass die Gerüchte über Sabotage an Bord der Präsidentenmaschine auf Wahrheit beruhen könnten?«
Beal beeilte sich, seinen militärischen Beratern zu beteuern, dass er vollstes Vertrauen in sie habe. Stuart Ainsworth mochte streng bis zur unerbittlichen Härte sein, aber er war ein fairer, durch und durch ehrenhafter Mann, der sein ganzes Leben dem Dienst am Vaterland gewidmet hatte. Ein Mann wie er würde keine unnötigen Risiken für die Sicherheit der USA eingehen, davon war Beal überzeugt.
»Rivera, welche Position haben die Atom-U-Boote jetzt?« fragte der Admiral.
»Bandit eins an der Hundert-Faden-Linie vor Nantucket Island, Bandit zwei vor Hampton Roads. Und Bandit drei steht zweiundzwanzig Seemeilen vor der Mündung des Savannah River.«
»Mr. President, beachten Sie bitte, wie gut die Manöver des Gegners koordiniert sind«, sagte Ainsworth etwas pedantisch. »Die Sowjets haben ein ausgezeichnetes Unterwassernachrichtensystem, wobei sie einen geologischen Schild in Ostsibirien als Reflektor verwenden. Sir, Sie werden sich gewiß erinnern, dass wir vor einigen Jahren den Antrag stellten, für unsere eigenen Atom-U-Boote ein ähnliches System, mit dem Laurentanischen Schild beim St.-Lorenz-Strom, aufzubauen, aber die Leute vom Umweltschutz haben die Realisierung dieses Projekts verhindert. Mit der Begründung, ein solcher Eingriff wirke sich schädlich für das Rotwild in Wisconsin oder die kanadischen Wildgänse aus – so etwas Ähnliches.« Seine Miene zeigte deutlich, was er von den Prioritäten dieses Falles hielt.
Beal, der damals zu jenen Kongressmitgliedern gehört hatte, die sich von den Argumenten der Umweltschützer zur Ablehnung des Navy-Plans bestimmen ließen, konnte sich nun nagender Schuldgefühle nicht erwehren. Die Vorstellung, dass sowjetische U-Boote vor der amerikanischen Küste lauerten, war beängstigend. Er schluckte nervös, ehe er fragte: »Verfügen diese Boote über Waffen wie unsere eigenen MIRV?«
»Ich glaube schon, Sir. Es sind Einheiten modernster Bauart.« Ainsworth warf einen prüfenden Blick auf die Computerprojektionen und nickte. »Alle drei sind mit Mehrfachsprengköpfen ausgestattet, die unabhängig voneinander ihr Ziel suchen. Insgesamt zwanzig Sprengköpfe pro Boot.«
Beal erwog die Tragweite dieser nüchternen Erklärung und wußte nichts Wesentliches darauf zu erwidern.
Der Admiral nahm einen Kopfhörer von einem Haken am Kontrollpult und sprach in ein Mikrofon: »Küstenkommando, hier Ainsworth. Befehl an die Venturas und den U-Boot-Jäger: Warnung der sowjetischen Einheiten. Wenn diese versuchen, auf RAT zu gehen, versenken.«
Beal hatte das Gefühl, als lege sich ein Ring um seine Brust. Ein kalter Schweißtropfen rann ihm über die Brust.
»Ist das nicht … hm … ziemlich radikal, Stuart? ich meine … nun … ich wollte nicht sagen, dass wir …«
Gleichmütig antwortete der Admiral: »Ich bin ganz sicher, die sowjetischen Boote werden die Warnung befolgen, wenn sie merken, wie leicht wir sie entdeckt haben.«
Stumm starrte Beal in den Hochbetrieb des War Room hinaus. Es gab hier so viele Menschen und so viele Apparaturen, und er begriff so wenig davon, wie das alles wirklich funktionierte. Aber die Männer rund um ihn mußten wohl wissen, was sie taten. Dennoch spürte er, dass jeder neue Schalterdruck die Gefahr einer Katastrophe erhöhte.
»Bleibt uns keine weniger scharfe Gegenmaßnahme, wenn die Sowjets die Warnung ignorieren?« fragte er.
»Mr. President, meine Aufgabe ist die Verteidigung der USA. Wenn die gegnerischen Boote auf Abschusstiefe gehen, werde ich sie versenken lassen. Es gibt keine Alternative.« Beal merkte, dass der Admiral auf seine Weise von derselben unbedingten Überzeugung getragen war wie die militante Linke, die Ainsworth so sehr hasste. Um solch ungeheure Macht zu gebrauchen, mußte ein Mann seiner Sache mehr als sicher sein.
Der Admiral schien plötzlich an etwas anderes zu denken. »Wer ist heute ›Looking Glass‹?«
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