34° Ost
klug.«
Er lächelte trübe. »Die Heeresdienstvorschrift verbietet es nicht. Nicht einmal einem General.«
»Es wissen wohl schon alle über uns Bescheid.«
»Ja«, sagte er. Offensichtlich wollte er das Thema nicht weiter verfolgen.
»Fährst du in die Zentrale Zone mit?«
Er geriet wieder in Zorn. »Nein«, antwortete er und setzte sich jählings auf. »Er hat mir den ausdrücklichen Befehl erteilt, in Es Schu'uts zu bleiben. Er will keine Soldaten.«
»Keine Soldaten?« wiederholte sie verblüfft. »Das verstehe ich nicht.«
»Das versteht keiner. Er sagt, es handelt sich um eine rein zivile Angelegenheit, und er will kein Militär dabei haben. Ben Crowell und noch einen anderen Offizier, und Schluß. Beförderung auf Armeefahrzeugen muß er in Kauf nehmen, und einen Trupp Soldaten schicke ich ihm mit, ob er will oder nicht. Aber mehr kann ich nicht tun. Der Mann benimmt sich wie ein Verrückter.« Er tastete in seinen Kleidern nach Zigaretten und Feuerzeug. Im Schein des aufflackernden Lichtes sah Deborah den verdrossenen Ausdruck auf seinem Gesicht. Er war gewohnt zu befehlen, und der Vizepräsident hatte seine Pläne durchkreuzt und ihn verärgert. Sie fragte sich, ob das nicht der Grund seines späten Kommens war – selbst wenn es gerade jetzt höchst unklug zu sein schien.
»Aber er ist kein Verrückter«, fuhr Tate fort. »Er ist ein Idealist, und das ist noch tausendmal schlimmer.«
»Fährt Dov Rabin auch mit?« fragte sie.
»Ja. Jerusalem hat ihn als offiziellen Vertreter bestätigt.« Er unterbrach sich, starrte einen Augenblick auf die Glut seiner Zigarette und drückte sie zornig aus. »Und du«, sagte er, »du fährst auch.«
Sie hielt den Atem an.
»Ja. Du. Rabins Idee.«
»Ich verstehe.«
Tates Stimme klang plötzlich feindselig. »Mir befiehlt man, hier sitzen zu bleiben, weil der Anblick von Militärpersonen das Auge des Mr. Bailey beleidigt. Aber euch Israelis hat er nichts zu befehlen, und euer Ministerpräsident legt Wert darauf, dass eine israelische Abordnung anwesend ist, wenn der Vertrag erneuert wird.«
Noch nie war er so verbittert gewesen. Es passte nicht zu ihm. Aber sie hatte ihn auch noch nie in einer solchen Situation gesehen, wo er mit politischen Intrigen konfrontiert war. Er war seinem Wesen nach ein einfacher Mann. Diese Erkenntnis verstärkte ihre Liebe – wenn es Liebe war, was sie für ihn empfand. Sie war sich dessen noch immer nicht sicher.
»Es besteht doch keine Gefahr, oder?«
»Der Nachrichtendienst sagt nein. Von drei Meldungen stimmt für gewöhnlich eine. Ich rede von unserem Nachrichtendienst. Was sagt der Mosa'ad dazu?«
Sein Ton ließ sie frösteln.
Er bewegte sich im Dunkel. »Antworte mir nicht«, murmelte er. »Antworte mir nie auf diese Frage.«
Sie wußte jetzt, dass er sich mit ihrem Verrat abgefunden hatte und wußte auch, dass er nie würde sicher sein können, ob sie nicht nur einem Befehl gefolgt war, als sie sich ihm hingegeben hatte. Mit eingezogenen Schultern kauerte sie sich lautlos weinend zusammen.
Bill blieb lange Zeit stumm; dann strich er ihr überraschend zart übers Haar. »Ist schon recht«, sagte er. »Weine nicht, Deborah.« Er sprach so selten ihren Namen aus; jetzt war es wie eine zärtliche Liebkosung. Sie drückte seine Hand gegen ihre Wange und fühlte seine Wärme und Kraft. Die Berührung machte es irgendwie leichter, zu glauben, dass ihre Beziehungen noch nicht endeten.
Was war das doch für eine grausame Ironie, dachte Tate. Er, der einstmals sein Privatleben einer Karriere geopfert hatte, setzte sie jetzt leichtfertig aufs Spiel für eine kaum zu rechtfertigende Beziehung zu einer israelischen Spionin. Und das grausamste daran war, dass er nicht wußte, ob er sie liebte.
Der Wind hatte sich gelegt, und nun war die Nacht klar und ruhig. Die dunkle Masse der Berge im Osten entzog den Blicken die leuchtenden Sterne. Vom Blutgeruch angelockte kleine Wüstentiere raschelten in den Palmen und Tamarisken. Achtundzwanzig tote Beduinen lagen in der Oase Feiran. Die Guerillas hatten einige der Toten durchsucht, aber nichts gefunden, was des Mitnehmens wert gewesen wäre. Die alten Flinten der Hirten hatten sie zerbrochen und weggeworfen. Anders stand es mit Feldflaschen und Nahrung; diese trugen die Männer des Abu-Mussa-Kommandos in ihrem Lager am Nordende der Oase zusammen.
Um Mitternacht machte Enver Leč einen Rundgang, um sich zu vergewissern, dass die Posten wachten, während ihre Kameraden schliefen. Dann
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