3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
mich auffordern, auch weiterzulaufen.
Weil er mir ja immerhin auf dem Chemin de St. Jacques zugelaufen und ein Rüde ist, taufe ich ihn natürlich auf den Namen ’Jacques’. Und weil er ein lieber und treuer Begleiter ist, gefällt mir die Vorstellung immer mehr, ihn bis nach Santiago als Weggefährten zu haben.
Umso schwerer fällt es mir, als ich ihn in Assieu zurücklassen muss. Von einer Telefonzelle rufe ich den “Pilgerabgeordneten” von Assieu an und frage nach einer Herberge, weil in meinem Wanderführer nichts Günstiges zu finden ist. Obwohl ich ja eigentlich nicht schon wieder in ein Auto steigen will, verspricht er mir, mich an der Telefonzelle abzuholen und mich zu einer Herberge zu fahren, was ich natürlich höflicherweise nicht ablehnen kann. Während ich auf ihn warte, bleibt Jacques in meiner Nähe und als ich abgeholt werde, lasse ich mir versichern, dass er zurückfinden wird. Ich lasse Jacques, der mir irgendwie traurig hinterherschaut, schweren Herzens zurück.
Ich werde nie erfahren, wie weit er mich wohl noch begleitet hätte, aber mit Hunden ist es immer schwer, eine Unterkunft zu finden und man muss immer für zwei denken, also ist es wohl besser , ihn zurückgelassen zu haben. Außerdem war ’Jacques’ ja kein herrenloser Hund und sein Besitzer hätte sich sicher nicht gefreut. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass mich der “Pilgerabgeordnete” zu einer privaten Unterkunft im Ort fahren würde, aber er fährt mich bis in den etwa fünf Kilometer entfernten Ort Auberives, der auch am Jakobsweg gelegenen ist, ohne dass ich - dank meiner hervorragenden Sprachkenntnisse - auch nur den Hauch einer Chance hätte, dagegen zu protestieren.
Dort lädt er mich am Campingplatz ab und ich bedanke mich artig für seine Hilfe. Auch wenn ich dieses Mal unbeabsichtigt geschummelt habe, reicht es dann aber jetzt wirklich mal, sonst gewöhne ich mich noch dran, mit dem Auto gefahren zu werden! Aber was soll’s, alle drei motorisierte Fahrten (Bus in der Schweiz von Brienzwiler nach Brienz, die Höllenfahrt gestern mit Patricia und die heutige Fahrt) ergeben zusammen gerade mal 20 Kilometer, die ich abgekürzt habe und nicht zu Fuß gelaufen bin.
Bevor ich einchecken kann, sehe ich einen Camper, der irgendwie typisch deutsch aussieht. Tatsächlich kommt er aus Wuppertal und ich frage ihn, wo ich noch e twas zu essen herbekommen könne. Als er mir erzählt, dass es neben dem Campingplatz nur ein Restaurant gebe, frage ich ihn, ob ich ihm etwas Essbares abkaufen könne.
“J a, komm ma gleisch vorbei”, antwortet der Rentner, “dann gucken wir mal”. Also geh ich zur Rezeption, um erst mal einzuchecken, wo der nächste Schock auf mich wartet: Ich soll den Wucherpreis von 25,-- Euro für eine Nacht hinblättern. Versteht sich von selbst, dass ich erst mal anfange zu handeln. “Hey“, versuche ich ihm in bestem Französisch klarzumachen, “ich bin Pilger, komme vom Bodensee und will bis nach Santiago. Wenn jede Nacht so teuer wäre, wäre ich nach der Hälfte der Strecke pleite und könnte wieder nach Hause fahren.”
Schnippisch antwortet mir der Platzwart , ich könne ja auch woanders übernachten. Trotzdem lasse ich mich nicht entmutigen und versuche es weiter, weil der Campingplatz außerhalb der Stadt liegt und ich keine Lust mehr habe, mir da etwas zu suchen. Nach zähen Verhandlungen und nachdem sich seine Frau, die unser Gespräch aus dem Hintergrund mitbekommen hat, für mich stark gemacht hat, schaffe ich es doch noch, den Übernachtungspreis auf 10,-- Euro runterzuhandeln.
Ich b ekomme für den Preis zwar keine eigene Hütte, aber immerhin eine Liege in dem Vorzelt eines leerstehenden Wohnwagens, was mir natürlich völlig reicht. Nach der Dusche halte ich auf dem kleinen Platz Ausschau nach dem Wohnwagen mit Wuppertaler Kennzeichen und werde schnell fündig. Ich klopfe an, woraufhin mir das nette Rentnerehepaar öffnet und mir ein „Care-Paket“, bestehend aus einem
Paket Ma kkaroni, einem Brühwürfel und einer Dose Heringsfilets in die Hand drückt, das sie mir schon vorbereitet hatten. Ich pokere hoch, als ich frage, was sie dafür haben wollen, denn als ich beim Check-in den Preis für die Übernachtung gezahlt hatte, musste ich feststellen, dass ich tatsächlich nur noch 10,-- Euro hatte.
Glück gehabt, denn einen Geldautomaten gibt es natürlich hier auch nicht. Bei den supernetten Campern aus dem Ruhrgebiet habe ich aber
Weitere Kostenlose Bücher