3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
wollten, ausgebucht ist, und die gute, dass es eine Bar gibt, die geöffnet hat, kurz hinter dem Ortseingang liegt und in der das Spiel auf einem richtig großen Fernseher gezeigt wird. Kurz vor dem Anpfiff falle ich fast in die Bar. Ich schaffe es gerade noch, mir ein Bier zu bestellen und dann hab ich nur noch Fußball im Kopf. Essen und Unterkunft sind mir erst mal egal. Irgendetwas wird sich schon ergeben, sonst schlaf ich eben draußen.
In der Halbzeit telefoniere ich ein paar Unterkünfte ab . Tatsächlich ist in La Cote alles belegt, aber auf einem Campingplatz in der Nähe ist noch Platz. Wegen der etwas irritierenden Angaben in meinem Wanderführer gehe ich davon aus, dass der Campingplatz im etwa fünf Kilometer entfernten Ort Balbins liegt, aber er ist dann doch im zehn Kilometer entfernte Ort Faramans. Ist eigentlich auch egal, weil ich sowieso keine 100 Meter mehr laufen könnte, ohne tot umzufallen.
W ährend des Spiels haben Helmut und ich uns mit der Französin Patricia angefreundet und, nachdem ich ihr meine Situation mit Händen und Füßen erklärt habe, bietet sie mir an, mich zu fahren. Weil ich entweder draußen übernachten oder mindestens 40,-- Euro für eine Unterkunft in La Cote ausgeben müsste, habe ich auch dieses Mal kein schlechtes Gewissen, mal ein paar Kilometer nicht zu laufen. Wegen der x Kilometer Umwege, die ich bisher freiwillig oder unfreiwillig gelaufen bin, brauch ich ja auch kein schlechtes Gewissen zu haben.
Helmut fährt also mit dem Fahrrad vor und Patricia und ich halten in La Cote noch an einem Döner-Laden, damit ich auch endlich was in meinen Magen bekomme, bevor es zum Campingplatz geht. Obwohl Patricia mir versichert, noch gut fahren zu können, weiß ich nicht so recht, ob es eine gute Idee war, ihr Angebot, mich zu fahren, anzunehmen, weil sie in der Bar ungefähr sechs Whiskey-Cola getrunken hat. Als wollte sie uns umbringen, rast sie mit ca.150 Sachen Richtung Faramans und ich fürchte ernsthaft um mein Leben.
Als aber ein es meiner Lieblingslieder im Radio läuft, “Forever Young” von Alphaville, dreh ich lauter und denke mir: Scheiß drauf, do you really want to live forever? Sein Schicksal kann man ja doch nicht ändern.
Weil ich tatsächlich lebend den Campingplatz erreiche, bedanke ich mich noch herzlicher bei Patricia für den Transfer und finde Helmut an einem kleinen, gemütlichen, extra für Pilger reservierten Wohnwagen, den er für uns gemietet hat für nur 10,-- Euro pro Person. Helmut kocht noch Nudeln, für die natürlich in meinem Magen auch noch Platz ist, und nicht viel später falle ich nach diesem etwas verrückten Abend endlich halb tot ins Bett.
Fazit des Tages: Beten mit den Füßen muss nicht immer weh tun!
Freitag, 13. Juni, 32. Tag:
Faramans - Assieu, 30 km, 5 km Auto bis Auberives
Auch die heutige Etappe wird wieder landschaftlich reizvoll, wenn auch nicht spektakulär, und das Wetter ist wieder Klasse. Langsam fangen die französischen Hunde an, mich zu nerven, die alles, was sich bewegt, anscheinend besonders Pilger, hysterisch bis aggressiv anbellen (vielleicht ja auch, weil sie angekettet sind!?) und von denen mich zum Glück meistens ein Zaun, Tor oder ähnliches trennt. Wenn nicht, bin ich ja zur Not mit meinem Pilgerstab bewaffnet.
So auch bei dem Terrier, der wie aus dem Nichts von einem Grundstück auf mich zugeschossen kommt und der mir sicher noch näher auf den Pelz gerückt wäre und mal probiert hätte , wie verschwitztes Pilgerfleisch schmeckt, wenn ich ihn mir nicht mit meinem Stock vom Leib gehalten hätte. Kurz nach dem Angriff begegne ich Hans aus Bayern, einem sehr angenehmen Menschen, mit dem ich etwa zwei Stunden gemeinsam zurücklege.
Als ich wieder alleine laufe, s chießt wieder ein Hund aus einem offenen Tor eines Bauernhofes laut bellend auf mich zu. Dieses Mal ist es ein großer Hund, wahrscheinlich ein Rottweiler-Labrador-Mischling, und ich bleibe wie angewurzelt und mit klopfendem Herzen stehen. Anscheinend wollte er sich aber mit dem lauten Bellen nur Respekt verschaffen und nachdem er mich ein paar Mal umrundet und beschnuppert hat, entscheidet er sich spontan, mich zu begleiten.
So weicht er die nächsten zwei Stunden bis zu meinem Etappenziel in Assieu nicht mehr von meiner Seite. Immer wenn ich stehen bleibe, dreht er sich nach mir um und kommt, wenn ich nicht sofort weiterlaufe, zu mir zurück, als wollte er
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