Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)

Titel: 3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kamps
Vom Netzwerk:
kürzerer Dauer, ein ähnliches Erlebnis wie mit Jacques: Ein Pferd läuft, bis seine Koppel endet, treu an meiner Seite, bleibt stehen, wenn ich stehen bleibe, und läuft weiter, wenn ich weiter laufe. Auch schön, aber hätte ich die Wahl, würde ich wohl doch Jacques als Weggefährten bevorzugen.
     
    Beide wäre n aber auch nicht schlecht. Als ich den höchsten Punkt erreiche, werde ich mit einem überwältigenden Panorama belohnt, das alles bisher da Gewesene in den Schatten stellt, und ich habe das Gefühl, dass mir die Grand Nation zu Füßen liegt und ich die Pyrenäen schon sehen kann.
     
    Absolut geil, unbeschreiblich und kaum in Worte zu fassen! Schon schade, dass ich auch diesen Moment wieder alleine erleben muss. Als ich Queyrieres, mein letztes Etappenziel vor Le Puy, erreiche und mir der Preis in der einzigen direkt im malerischen Dorf gelegenen Gite zu hoch ist, befolge ich den Rat meines Wanderführers und rufe von einer Telefonzelle in der anderen Gite an.
     
    Man soll e besser dort anrufen, weil sie etwa drei Kilometer abseits des Weges mitten im Wald liegt und man besser erst in Erfahrung bringt, ob sie geöffnet hat bzw. ihre Besitzer anwesend sind, weil man sonst die drei Kilometer auch wieder zurücklaufen kann. Ich erreiche zwar niemanden, riskiere es aber trotzdem und mach mich auf den Weg in den Wald.
     
    Als ich endlich die Gite erreiche, stelle ich fest, dass meine Gebete wohl erhört wurden und der Weg nicht umsonst war. Ich werde von zwei im Schlamm vor der Gite angeketteten, aber mit dem Schwanz wedelnden Hunden begrüßt, für die ich eine willkommene Abwechslung zu sein scheine in ihrem Alltag an der Kette. Der Besitzer ist mit Ausbesserungsarbeiten an seinem Dach beschäftigt und hatte deshalb, außer ihm ist gerade keiner da, sein Telefon nicht gehört.
     
    Die Gite ist zwar traumhaft schön und ruhig gelegen, aber ich bin an diesem Abend wieder ganz allein e, oder auf französisch “moi tout seul“, woraus sich übrigens mutterseelenallein entwickelt hat, also quasi eine Verballhornung. Heute jedenfalls passt dieser Superlativ der Einsamkeit wie die Faust aufs Auge.
     
    Die rustikale , aus Holz gebaute Gite ist ein Anbau an das Haus des Besitzers, der dort mit seiner Frau und seinem Kind lebt, hat Platz für 25 Pilger auf 2 Etagen und ich habe sie mal wieder für mich alleine, kann also zwischen ca. 25 Matratzen wählen!
     
    Es gibt eine gut ausgestattete Küche, aber weder Fernseher noch Radio, sondern nichts als Stille. Nachdem ich dem Besitzer ein Paket Nudeln abgekauft , mir mein Abendessen gekocht und Tagebuch geschrieben habe, sitze ich da und bin wohl einsamer als je zuvor auf meiner Reise. Spätestens jetzt bin ich glücklich darüber, mein Handy mitgenommen zu haben, weil es gerade hier und heute guttut, ein paar Nachrichten schreiben und bekommen zu können.
     
    Als ich auch damit fertig bin, frage ich den Besitzer nach einem Radio und bekomme tatsächlich eins geliehen, so dass ich mir immerhin ein französisch kommentiertes EM-Spiel anhören kann. Auch nicht schlecht, um die Sprachkenntnisse zu verbessern.
     
    A us einem knisternden Radio verfolge ich also das EM-Spiel, während draußen nach Einbruch der Dunkelheit ein fast schon Angst einflößendes Unwetter losbricht, das den Regen gegen die Scheiben peitscht und ich als einziger und einsamer Pilger, eingerollt in meinem Schlafsack, in dem gespenstisch leeren Matratzenlager der mitten im Wald gelegenen Gite liege.
     
     
     
    Fazit des Tages: Komme mir vor wie eine Mischung aus Moses, der Mann in den Bergen und Heidi.
     
     
     
    Vorfreude des Tages: Le Puy!!!
     
     
     

Mittwoch, 18. Juni, 37. Tag:
     
     
     
Queyrieres - Le Puy, 24 km
     
     
     
    Schon nach dem Aufstehen und noch bevor ich meinen obligatorischen Kaffee getrunken habe, ohne den ich morgens ungenießbar bin, habe ich nur noch Le Puy im Kopf, dass für mich ein ähnlich wichtiges, wenn nicht noch wichtigeres Etappenziel ist wie Genf. Seit Jahrhunderten ist Le Puy Ausgangspunkt vieler Pilger für ihre Pilgerreise nach Santiago de Compostela, und ich bin mir sicher, dass ich bald schon nicht mehr alleine sein muss.
     
    Der letzte Höhepunkt der Via Gebennensis ist St. Julien mit einer der schönsten Kirchen des gesamten Weges, die aus dem 12. Jahrhundert stammt und wunderschön, die Landschaft und Stadt überblickend, auf einem Hügel liegt. Weil die letzten Kilometer vor Le Puy an einem fürchterlichen Autobahnabschnitt vorbeiführen,

Weitere Kostenlose Bücher