3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
angenehm.
Ich hänge meine Füße in einen Fluss und lege einen Badestopp ein. Mittlerweile habe ich mir übrigens angewöhnt, nur in Badeshorts zu laufen, weil es praktischer ist für die Badestopps an den Seen und Flüssen und ich so abends ein Kleidungsstück weniger per Hand waschen muss. Also, Rucksack und T-Shirt runter, Schuhe und Socken aus, und ab in den See. Vor Lectoure ein weiterer ganz großer Moment, der mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagt:
I n der Ferne erblicke ich zum ersten Mal das nächste wirklich wichtige Etappenziel, die letzte große Hürde vor und Grenze zu Spanien: die Pyrenäen! Ein geradezu berauschendes Gefühl! In Lectoure mache ich eine Pause und lerne Michael kennen, einen Fahrradpilger aus Berlin, der ebenfalls Santiago als Ziel hat. Als ich wieder aufbrechen will, stelle ich mit Entsetzen fest, dass ich wohl irgendwo meinen Wanderstock vergessen haben muss.
Wäre ja nicht ganz so schlimm, wenn er kein Geschenk gewesen wäre und ich nicht angefangen hätte, meine Etappenziele auf dem Stock zu verewigen. Ich weiß noch nicht einmal, wo ich ihn vergessen habe. Irgendwann vergesse ich noch meinen eigenen Geburtstag!
Ziemlich enttäuscht finde ich mich schon damit ab , ohne Stock weiterzulaufen, als zwei Pilgerinnen vorbeikommen und mich fragen, ob der beschriftete Wanderstock, den sie auf dem Friedhof gesehen hätten, vielleicht von mir sei.
Weil j eder Friedhof irgendwo trinkbares, kaltes Leitungswasser hat, sind sie bei mir sehr beliebt. Auch auf diesem hatte ich meine Wasserflasche wieder nachgefüllt und dort wohl meinen Stock stehenlassen. Schön, dass die „Jakobsweg-Post“ mal wieder funktioniert, aber der Friedhof liegt schon zwei Kilometer zurück, was dann doch nicht so schön ist, weil es zusätzliche vier Kilometer bedeutet. Kurzerhand bietet mir Michael an, mal eben mit dem Rad hinzufahren und meinen Stock zu holen.
Supernett! Der zweite Abschnitt der heutigen Etappe wird dann extrem nervig, lang, heiß und anstrengend und kurz vor meinem Ziel werde ich in einem Waldstück von Kamikazemücken fast aufgefressen. Kein Wunder also, dass ich heilfroh bin, um 19:30 Uhr endlich La Romieu zu erreichen, wo ich wieder mit Jean Marie und Zoe verabredet bin. Als ich in der einzigen kommunalen Gite einchecken will, erfahre ich nicht nur, dass der Übernachtungspreis im Gegensatz zu den Angaben meines Wanderführers gestiegen ist, sondern auch, dass Patrick, ein französischer Lehrer, sowohl für Jean Marie als auch für mich die Differenz zum alten Preis gezahlt hat.
Dankend nehmen wir die Spende unseres etwas wohlhabenderen Pilgerfreundes an, die wohl alles and ere als selbstverständlich ist. Ich bin total am Ende und es ist jetzt schon etwas länger her, dass ich solche Schmerzen und Erschöpfungszustände hatte. Warum bin ich auch so bescheuert und experimentiere auf so einer langen Etappe damit, barfuß zu laufen und danach 25 Kilometer mit Sandalen. Zur Strafe habe ich meine ersten zwei kleinen Blasen nach über zwei Monaten, die ich aber sofort nach dem Duschen aufsteche und desinfiziere.
Zoe und Jean Marie kochen für uns vier und Zoe verwöhnt quasi zum Dessert drei Paar Männerfüße mit einer Fußmassage. Sie bekommt dafür eine von mir.
Der Garten der Gite ist sehr schön und der Rasen mit Moos durchsetzt. Ein Traum für erschöpfte Pilgerfüße, den sich keiner von uns entgehen lässt.
Panorama des Tages: Die Pyrenäen!!!
Mittwoch, 16. Juli, 65. Tag:
La Romieu - Condom, 16 km
Die heutige Etappe ist sehr kurz und das ist auch ganz gut, weil meine Füße noch schmerzen von gestern. Eine längere Distanz ausschließlich mit Sandalen oder sogar barfuß zu laufen, werde ich jedenfalls meinen Füßen nicht mehr zumuten.
Ich bin mal wieder später als Jean Marie und Zoe losgelaufen, treffe sie aber an einem sehr schönen, von Sonnenblumenfeldern umgebenen Weiher und schließe mich ihrer Pause an. Natürlich gehe ich auch wieder schwimmen. Nach der Abkühlung mache ich dann eine schöne, lange Pause und lasse mich von der Sonne trocknen.
Zoe geht schon ohne uns weiter, weil sie ein bisschen Zeit für sich haben möchte. Später lauf ich gemeinsam mit Jean Marie weiter. Er ist ein sehr witziger, netter und korrekter Typ und wir verstehen uns blendend. In Condom treffen wir Zoe in der vereinbarten und natürlich günstigsten kommunalen Herberge.
Wenn man
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