3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
es aber heute nicht das 24 -Stunden-Rennen von Nogaro, sondern es ist um Punkt 18:00 Uhr Schluss.
Wir kochen und essen zu fünft und langsam g eht’s los mit den Rotwein-Abenden…!
Zitat des Tages, diesmal von Natalie mit ihrem ebenfalls umwerfenden französischen Akzent:
“Isch will ein Mais sein!”
Samstag, 19. Juli, 68. Tag:
Nogaro - Aire sur L’Adour, 28 km
Heute laufen Jean Marie, Natalie und ich zu dritt nach Aire sur L’Adour. Es ist ein unglaublich heißer Tag und etwa 2 Stunden vor unserem Tagesziel weichen wir einer von einem Feld bis auf den Weg reichenden Bewässerungskanone nicht aus, sondern freuen uns über eine herrliche Abkühlung und eine Dusche der besonderen Art.
Eine der Sehenswürdigkeiten Aire sur L’Adours ist die Kirche Saint Quitterie, die, wie der Name schon sagt, auf die Legende der heiligen Quitterie zurückgeht. Zur Zeit der Westgoten wurde sie geköpft, weil sie sich weigerte, ihrem Glauben abzuschwören. Daraufhin hat sie angeblich, Märtyrer machen ja immer solche Sachen, eigenhändig ihren Kopf bis auf den Hügel getragen, wo heute die ihr gewidmete Kirche steht, inklusive Sarkophag mit ihren Überresten.
In der Gite, die von einem ehemaligen Pilger geführt wird und deren Atmosphäre uns sofort gefangen nimmt, ist anscheinend kein Platz mehr. Weil wir aber keine Lust mehr haben, unsere Rucksäcke wieder zu schultern, weiterzulaufen und uns was anderes zu suchen, bleiben wir einfach erst mal und warten auf den Besitzer, in der Hoffnung, dass er doch noch irgendwo ein oder zwei Matratzen herzaubern kann oder uns erlaubt, auf dem Boden zu schlafen. Hauptsache, wir können duschen und kochen.
Das Duschen ist so eine Sache auf diesem Weg. Wenn man bei solchen Temperaturen 12 Stunden läuft und schwitzt, kommt am Ende des Tages eine ziemliche Brühe runter. Als der Besitzer kommt, stellt er sich als sehr netter und unkomplizierter Gastgeber heraus und es findet sich für jeden von uns noch eine Matratze.
Ich liebe unkomplizierte Menschen, die ihren Mitmenschen Barmherzigkeit entgegenbringen, anstatt es ihnen noch schwerer zu machen. Von letzteren gibt es leider genug und ich bin überzeugt, dass es zu viele Menschen gibt, die sich an zu viele Regeln halten und es dadurch viel zu kompliziert machen.
Bleibt die Frage, ob wir in einer Situation wie dieser von mehr Menschen abgewiesen oder aufgenommen worden wären. Obwohl ich Päpsten und dem Vatikan immer skeptisch gegenüberstand, schaffte es Papst Johannes Paul II. durch eine Äußerung, die sicher ehrlich gemeint war, meine Sympathien zu gewinnen. Als ihn ein Reporter fragte, was er sich für die Welt wünsche, bestand seine kurze und weise Antwort aus nur einem Wort: Barmherzigkeit!
Meiner Meinung nach die entscheidende Grundvoraussetzungen für eine bessere Welt. Gerade hier auf diesem Weg, wo man so sehr angewiesen ist auf die Barmherzigkeit seiner Mitmenschen, wird man zum Glück meistens nicht enttäuscht, was einem irgendwie Mut macht. In der Gite lernen wir Franziska aus Deutschland kennen, die auch nach Santiago pilgern will und wir essen zu viert zu Abend.
Fazit des Tages: Es ist schöner, einander keine Steine in den Weg zu legen!
Musik des Tages: Soundtrack aus dem Film
’Die fabelhafte Welt der Amelie’
Sonntag, 20. Juli, 69. Tag:
Aire sur L’Adour - Maison Marsac, 20 km
Der Besitzer der Gite ist nicht nur sehr nett, sondern hat bei der Einrichtung der Herberge auch wirklich mal mitgedacht. Es gibt viele Kleinigkeiten in der Gite, über die sich ein Pilger freuen kann und die den Aufenthalt noch angenehmer machen. Zum Beispiel Gewürze, Zucker und Öl in der gut ausgestatteten Küche oder diverse Fußmassagegeräte!
Das Beste aber ist eine Kranwaage, an die man seinen Rucksack hängen kann, um, wie in den meisten Fällen, einen Schock zu bekommen. Ich habe bisher nur wenige kennengelernt, die nicht mit zuviel Gepäck unterwegs sind. Männer sollten maximal 10 - 12 und Frauen maximal 8 - 10 kg dabei haben. Es kommen ja immer noch etwa 2 kg Proviant dazu.
Wenn mein Körper und speziell meine Füße reden könnten , würden sie mir wahrscheinlich jeden Tag danken dafür, dass ich meinen Rucksack damals in der Schweiz um 5 kg erleichtert habe und ich selbst mittlerweile auch 5 kg abgenommen habe. Mit jedem Schritt haben meine Füße also satte 10 kg oder 40
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