3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
Päckchen Butter weniger zu tragen! Wenn das keine Erleichterung ist.
Bevor wir die Stadt verlassen, statten wir der Märtyrerin und der Kathedrale noch einen Besuch ab. Auf dem ersten Abschnitt von Aire sur L’Adour nach Maison Marsac werde ich etwas melancholisch, weil ich nach über zwei Monaten des Pilgerns Heimweh habe und an meine Familie und meinen verstorbenen Vater denken muss.
Die anstehenden O lympischen Spiele in Peking erinnern mich an ein paar schöne Abende mit meinem Vater während der Spiele 1984 in Los Angeles: Wir waren, wie immer in den Ferien, auf dem Campingplatz in unserem Wohnwagen und als sportbegeisterter 10-jähriger Junge durfte ich mir mit meinem Vater die eine oder andere Nacht (wegen der Zeitverschiebung) im Vorzelt um die Ohren schlagen.
Überwältigt durch die schönen , aber traurigen Erinnerungen an meinen Vater, werde ich langsamer und bleibe etwas hinter der Gruppe zurück. In diesem Moment zeigt sich einmal mehr auf wunderbare Weise, was für ein toller Weggefährte Jean Marie ist. Er schaut sich um, sieht dass ich zwischendurch stehenbleibe, dreht um und kommt zurück zu mir, um mich zu fragen, ob alles in Ordnung sei.
Als er sieht, dass ich Tränen in den Augen habe, spürt er sofort, dass ich für ein paar Kilometer Zeit für mich brauche. Er wartet also erst gar keine Antwort ab, klopft mir nur wortlos, aber aufmunternd und mit einem Ausdruck von aufrichtigem Mitgefühl in seinen Augen auf die Schulter und lässt mich wieder alleine. Was für ein Glück, dass ich mit drei so tollen Pilgern unterwegs bin!
I rgendwann jedenfalls kann ich gar nicht mehr anders als wieder mitzulachen und herumzualbern. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich bisher nur selten ähnlich viel Spaß gehabt hatte wie mit Natalie, Franziska und Jean Marie. Vor allem wegen Jean Maries und Natalies kleinen, extrem sympathischen Versprechern, verbunden mit ihrem Akzent, können Franziska und ich bald nicht mehr vor Lachen.
Trotzdem wünschte ich , mein Französisch wäre nur halb so gut wie das Deutsch der beiden. Jean Marie hat eine Weile in Berlin studiert, und Natalie lebt in Deutschland. Der Weg heute ist wieder schön und das Wetter fantastisch und fast wieder zu heiß für extreme körperliche Anstrengungen. Abends erreichen wir eine einsame, aber sehr schön gelegene Gite mit Pool!
Nachdem wir unser Zimmer mit den zwei Etagenbe tten bezogen haben, relaxen wir natürlich erst noch am Pool, bevor wir kochen. Nach dem Abendessen spielen Franziska, Jean Marie und ich bis zum Einbruch der Dunkelheit Boule. Für mich das erste Mal, seit ich in Frankreich bin und ich gewinne sogar!
Dialog des Tages (zwischen Jean Marie und mir):
Ich: Jean Marie, Du bist der intelligenteste Affe, der mir je begegnet ist!
Jean Marie: Und Du bist das dumme und faule Schaf, das isch je getroffen!
Hintergrundinformation:
Ich bin auf das Schaf und Jean Marie auf den Affen gekommen. Als wir irgendwann mal wieder an einer Herde Schafe vorbeilaufen, wir laufen schon eine Weile schweigend nebeneinander her, frage ich Jean Marie, ob er wisse, dass ich ein Schaf imitieren kann. Natürlich weiß er es nicht und ich muss es ihm demonstrieren. Daraufhin erklärt er mir, dass er einen Affen imitieren könne, was er mir natürlich auch zeigt.
Dummerweise habe ich mir das falsche Tier ausgesucht, denn jedes Mal wenn wir an Schafen vorbeikommen, von denen es hier ein paar mehr als Affen gibt, bittet mein Pilgerfreund mich darum , doch bitte Kontakt aufzunehmen und findet immer wieder die Ähnlichkeit verblüffend.
Montag, 21. Juli, 70. Tag:
Maison Marsac - Pomps, 29 km
Heute laufen Natalie und Jean Marie etwas früher los als Franziska und ich. Wir haben uns aber in der nächsten Stadt für die erste Pause verabredet. Dort treffen Franziska und ich kurz nach den anderen ein. An den vor einem kleinen Supermarkt stehenden Pilgerstöcken erkenne ich, dass sie darin sein müssen. Ich laufe hinein und gebe mich Jean Marie mit dem Laut zu erkennen, der ihm mittlerweile vertraut ist und den er mit dem mir vertrauten Laut erwidert.
Ist ja egal, was die Leute denken, solange sie uns nicht in Zwangsjacken stecken oder in den Zoo. Wir verbringen gemeinsam die Pause. Der Rest der heutigen Strecke wird lang, anstrengend und heiß. Als es immer später wird, entscheidet sich Jean Marie während unserer letzten Pause vor unserem
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