3,6 Millionen Schritte Himmel & Hölle - Pilgerreise auf dem Jakobsweg (German Edition)
Etappenziel, schneller zu laufen, damit er in Pomps noch einen offenen Supermarkt erreicht, um für unser Abendessen einzukaufen.
Obwohl ich es fast für unmöglich gehalten hatte, dass er die verbleibenden Kilometer noch vor Ladenschluss zurücklegen kann, schafft er es tatsächlich, und später trudelt der Rest unserer Truppe ein. Nur einen Kilometer vor dem Ziel, als Franziska und ich an einer Weggabelung nicht wissen, in welche Richtung es geht, fragen wir eine andere Pilgerin, die darauf wartet, von ihrer privaten Gastgeberin abgeholt zu werden.
In dem Moment trifft die Gastgeberin auch schon mit ihrem Auto ein und zeigt uns nicht nur die richtige Richtung , sondern bietet uns auch an, uns kurz mitzunehmen. Obwohl ich eigentlich nicht will, weil es doch nur noch ein Kilometer ist, lass ich mich von Franziska überreden. Wird schon keiner mitkriegen.
Als wir aber am Ortseingang abgesetzt werden, wartet genau dort zu meinem Entsetzen Jean Marie auf uns und ich könnte im Erdboden versinken vor Scham, weil Jean Marie und ich uns fest vorgenommen hatten jeden noch verbleibenden Kilometer zu Fuß zurückzulegen. Mit einem ebenso hämischen wie breiten Grinsen empfängt er mich mit den Worten, dass ich von nun an kein wahrer Pilger mehr für ihn sei, und ich bin für den Rest des Abends seinem Spott ausgeliefert.
Die Gite ist nichts Besonderes, aber zweckmäßig und es gibt sogar eine Waschmaschine. Zum Abendessen gibt es Pfannkuchen und Bier. Während wir unsere Pfannkuchen zubereiten und ich gerade mit Backen an der Reihe bin, wundere ich mich, warum der Pfannkuchen nicht fertig wird. Des Rätsels Lösung ist ein Stromausfall. Und unsere Wäsche ist noch in der Maschine, super!
Zuerst versuchen wir selbst, den Fehler zu finden, holen dann aber den Betreiber der Gite, der zum Glück direkt gegenüber wohnt. Wenig später funktioniert dann doch wieder alles und wir genießen unser Sunset-Nutella-Pfannkuchen-Bier-Dinner!
Fazit des Tages: Jean Marie ist der Held des Tages und ich sollte mich schämen!
Dienstag, 22. Juli, 71. Tag:
Pomps - Sauvelade, 27 km
Ab heute sind es nur noch zweieinhalb Tage bis nach St. Jean Pied de Port am Fuße der Pyrenäen! Dann habe ich die 1.050 Kilometer des größten der drei zu durchquerenden Länder meines Jakobsweges bewältigt und zwei Drittel der gesamten Strecke geschafft! Das Pyrenäen-Panorama scheint mit jedem Kilometer schöner zu werden, die Stimmung ist gut und wir haben viel Spaß!
Einen Teil der Strecke bin ich alleine unterwegs, schließe mich aber ab Arthez de Bearn wieder den anderen an. Wir kommen wieder an einem Maisfeld vorbei, das gerade von einer Wasserkanone bewässert wird. Diesmal reicht die Kanone zwar nicht bis auf die Straße, aber wir lassen trotzdem unsere Rucksäcke auf der Straße liegen, marschieren mitten ins Feld und nehmen eine ordentliche Dusche.
Unterwegs lernen wir übrigens das bekannteste Pilgerlied: Ultreia! Jean Marie und ich haben uns außerdem entschlossen, in Pamplona als Straßenmusikanten aufzutreten. Außer mit dem Ultreia-Song wollen wir die nichtsahnenden Passanten in Pamplona auch noch mit anderen Liedern beglücken. Während Jean Marie drei französische Chansons einstudiert, habe ich mir überlegt, zwei Songs von den Ärzten, ‘Männer sind Schweine’ und ‘Zu spät’ sowie ‘Forever Young’, einen meiner absoluten Lieblingssongs von Alphaville, zu singen. Ehrensache, dass ich mir nur Songs von deutschen Gruppen aussuche.
Wir proben , während wir laufen, und singen uns abwechselnd die Ohren voll. Schließlich wollen wir in den Straßen von Pamplona eine gute Figur machen und nicht zur Strafe für unseren Dilettantismus wie die Stiere bei der weltberühmten jährlichen Stierhatz durch die Straßen getrieben werden. In Sauvelade gibt es nur eine Herberge und wir lernen die Engländerin Hattie kennen, die im Garten der Herberge zeltet. Weil sie also nur die Dusche und die Küche benutzt, konnte sie einen günstigeren Preis für die Übernachtung aushandeln.
Ihr Ein -Mann-Zelt wiegt nur etwas mehr als 1 Kilo. Wenn man so ein leichtes Zelt dabei hat und in den Herbergen duschen und kochen kann, ist das eine schöne und günstige Alternative. Das Aufbauen des Zeltes nach einem langen Wandertag kostet dann aber sicher den einen oder anderen Tag nochmal Überwindung.
Langsam kristallisiert sich heraus, dass Franziska und ich doch nicht so
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