4 Meister-Psychos
gelandet.
»Ich denke, wir trinken den
ersten auf Mara«, sagte ich.
Wir taten es. Alfred setzte
sein Glas hart auf den Tisch. Seine Hände standen ausgestreckt und senkrecht
auf der Platte, wie bei einem Karateschlag. Seine Stimme quetschte sich. »Ich
möchte den Kerl zwischen meine Finger bekommen.«
»Laß das, Alfred«, sagte Tessa
scharf. »Das macht die Polizei.«
»Hoffentlich tut sie’s auch.«
»Ach, die tut schon was«, sagte
Walter. »Bei mir war sie recht geschwind. Du hast sie ja geschickt. Kaum hatte
euer Sandmännchen deine Liste, trat er auch schon auf meiner Schwelle in
Erscheinung. Ich nehm’s dir nicht übel, Alfred. Einer muß der erste sein.«
»Was hat er gefragt?«
»Oh, er war sehr zartfühlend,
Tessalein. Ad eins: Kennen Sie das Buch ›Der Rächer‹ von Wallace? Zuerst dachte
ich, er wollte es mir verkaufen. Wußte ja nicht, was los war. Kenn’ ich, sag’
ich. Sagt er: Seit wann? Schon einige Zeit her. Ob ich es geliehen hätte? Von
wem? So nach und nach kam dann die Story raus. Ad zwei: Was ich getan hätte am
Montag vor acht Tagen. Die ganzen vierundzwanzig Stunden. Bring das mal wieder
zusammen als vielbeschäftigter Mensch. Gar nicht einfach.«
»Wollte er was wissen über
Mara?«
»Ja, Herr Bruder. Wann ich sie
zuletzt gesehen hätte. Ob ich wüßte, wo sie ist und was sie macht. Keine Ahnung
von nichts. Dann kam er raus mit der Geschichte. Da wurden mir die Knie etwas
weicher. Armes Mädchen.« Walter schüttelte den Kopf und trank. »Ich hab’
gedacht, ich bin im Mittelalter. Wer macht so was? Blanker Wahnsinn. Kopf
hauptpostlagernd.«
Alfred sagte gefährlich sanft:
»Vielleicht machst du heute lieber keine Witze.
»Verzeihung, Verzeihung.«
Walter stotterte hastig. »Sollte kein Witz sein. Ich wollte damit nur sagen...
Wahnsinn. Was soll das? Kann doch nur ein Verrückter machen.«
»Der alte Shakespeare könnte
sagen, ist es gleich Wahnsinn, hat es doch Methode«, meinte ich. »Man hat
angekündigt, Tessa in gleicher Weise zu behandeln. Unser Sandmännchen hielt das
für Bluff. Hoffentlich hat er recht.«
»Du mußt immer bei mir
bleiben.«
Ich legte meinen Arm um sie.
Ihre Lippen berührten mein Gesicht sanft und süß, und ich roch ihr Parfüm.
Je reviens.
»Das mache ich. Und wenn einer
auftritt, kann ich ihm jetzt mit dem frischen Waffenschein legal ein paar
Löcher in die Silhouette ballern.«
»Bloß nicht in den falschen.«
»Das wäre fatal. Am besten, wir
machen uns bald auf nach merry old England, und wenn wir wiederkommen, hat der Sandmann
vielleicht den Herrn schon ergriffen...«
»Bist du sicher, daß es ein
Herr war?«
»Nein, aber — sieht doch
eigentlich mehr nach Manneskraft aus...«
»Weiß nicht. Ich hab’ mal in
irgend so ‘ner Sammlung von Mordfällen gelesen, Frauen zerstückeln gern.
Auseinandernehmen und Gift, das sind ihre Spezialitäten.«
Alfred sagte halblaut: »Wenn
man nun herausfinden könnte, wer bei ihr gewesen ist.«
»Eindeutiges Versagen des
Hausmeisters. Sonst sieht er immer alles.«
Alfred zog die Luft durch die
Nase. »Wie ist es, wenn er gar nichts sehen wollte?«
»Der Hausmeister?« fragte
Tessa.
Alfred sagte nichts.
»Was sollte der gegen Mara
gehabt haben?«
»Wer hat etwas gegen Mara
gehabt?« schrie Alfred. Walter zuckte zusammen, und seine Zigarette fiel auf
den Teppich.
»Ich zum Beispiel«, erwiderte
Tessa ruhig. »Ich war nicht die fleischgewordene schwesterliche Liebe. Aber sie
erst recht nicht. Sie hat jeden schikaniert, wo sie konnte...«
»De mortuis nil nisi...«,
begann ich.
»Hör auf, Paul! Du müßtest es
besser wissen. Sie hat niemanden geliebt. Sich selber.«
»Macht jeder«, knurrte Alfred.
»Kein Grund, sie umzubringen.«
»Also, was ist mit dem
Hausmeister?« fragte Walter.
»Nichts«, sagte ich. »Blödsinn.
Bißchen nervös sind wir, das ist alles. Ich finde, wir sollten Schluß machen
für heute.«
»Die Sitzung ist geschlossen«,
sagte Walter gähnend. »Beschlossen wurde nichts.«
V
Im
Wagen war Tessa wieder traurig. Sie legte den Kopf weit herüber zu mir. Ich
hielt das Steuerrad links und streichelte sie mit der rechten Hand. »Bist meine
Beste.«
»Fahren wir nach London? Bald?«
»Wir fahren. Sandmann macht das
schon.«
Sandmann machte das auch. Er
klingelte, als wir gerade nicht Schere oder Papier spielen wollten. Er war
immer noch klein und sah ungefährlich aus. Wie ein lieber Besuch.
»Bin allerhand herumgelaufen«,
sagte er aus seinem Sessel.
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