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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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Mikrocurie.
    Über ein Jahr stand das Präparat
im Schrank. Peters hatte es wahrscheinlich längst vergessen. Ein Jahr. Keine
Zeit bei einem Halbwert von 28 Jahren. Die Strahlung war unvermindert stark.
Ich legte den Ordner zurück und setzte mich wieder.
    Zwanzig Millicurie. Genug für
drei Menschen.
    Fünf Kubik würden genügen. Es
war geruchlos und ohne Geschmack. Das strahlende Strontium mitsamt der
Trägersubstanz war viel zu wenig, als daß man es hätte schmecken können. Wenn
er es einmal im Körper hatte, war alle Hilfe vergebens.
    Im nächsten Augenblick kam mir
eine Erkenntnis, die meinen Plan zunichte machte.
    Wenn er es im Körper hatte,
würden alle Zähler ticken, an denen er vorbeikam. Die Strahlung war stark
genug, um durch Fleisch und Knochen und über mehrere Meter zu wirken.
    Meine Gedanken kreisten um
diese schwache Stelle. Was tat es eigentlich?
    Einer von uns hatte immer etwas
Aktivität an sich. Verseuchte Hände, verseuchte Schuhe, die die Messungen
verdarben, wenn man in die Nähe von Zählrohren geriet. Peters arbeitete
unvorsichtiger und nachlässiger als ich. In der ersten Zeit würde ihm die
Strahlung nicht besonders auffallen. Nachher war es zu spät. Niemand würde an
einen Mordanschlag und an mich als Urheber denken. Alles andere war
wahrscheinlicher — Unsauberkeit, Verseuchung, die langsam zugenommen hatte,
überalterte Zählrohre.
    Ich konnte dabei bleiben. Es
war die einzige und sicherste Möglichkeit.
    Ich hörte von weit her eine
Uhr. Es schlug acht. Ich stellte das Buch zurück, zog mich an, löschte das
Licht und ging.

IX
     
     
    Drei Abende später fand ich die
Gelegenheit. Ich wollte keine Zeit verlieren.
    Peters ging gegen sechs Uhr
fort. Er kam herunter, fragte einiges, verabschiedete sich. Ich sah den Spott
in seinen Augen und wußte, daß er zu Vera ging.
    Zehn Minuten blieb ich sitzen
und rührte mich nicht. Dann ging ich langsam den Gang entlang nach hinten.
    Für den nächsten Tag waren zwei
Patientinnen zur Joddiagnostik bestellt. Ich richtete zwei Ampullen und die
Jodbürette zum Abfüllen her. Wenn mich jemand überraschte, sollte es so
aussehen, als wäre ich mit dem Jod beschäftigt.
    Die blauen Schutzkittel hingen
vor der Tür. Ich zog den einen an. Gummihandschuhe waren da. Einen Tag zuvor
hatte ich alle unverseuchten zum Trocknen aufgehängt. Ich zog die Stulpen über
die Enden der Ärmel. Dann sah ich mich nach dem Monitor um.
    Wir hatten ein paar von ihnen.
Hier unten zwei, einen im Labor I. In Peters Zimmer stand der vierte. Es waren
Geigerzählrohre, frei an einem Stativ montiert und angeschlossen an ein
einfaches Zählwerk und einen Lautsprecher, der die registrierten radioaktiven
Impulse hörbar machte.
    Wenn ein strahlendes Präparat
in der Nähe war, ging das langsame Knacken in ein hohes, bösartiges Geknatter
über. Es war Vorschrift, jeden Tag nach der Arbeit Finger, Gesicht, Kleidung
und Schuhe auf radioaktive Verseuchung zu prüfen.
    Die rote Kontrollampe am Zähler
brannte. Der Lautsprecher knackte in unregelmäßigen Abständen. Nie schwieg ein
Zählrohr ganz, auch nicht, wenn keine Radioaktivität im Raum war.
    Ich nahm mir einen hölzernen,
langgliedrigen Greifer vom Tisch. Dann öffnete ich die Tür des Schutzschrankes.
Das Strontium stand unberührt. Ich schloß die Zange des Greifers um den Hals
der Flasche, hob sie vorsichtig heraus, drehte mich und hielt sie in Richtung
auf den Monitor.
    Das unheimliche Knacken schwoll
an und steigerte sich zu einem drohenden Knarren. Das Zählwerk klickte hastig,
und die Zahlen hinter dem Schlitzfenster huschten blitzschnell vorbei. Ich
stellte die Ampulle in den Schrank zurück und schloß die Tür. Hochaktiv war das
Zeug und würde so weiterstrahlen für fast dreißig Jahre.
    Aus einem der Kästchen suchte
ich mir eine kleine Glasflasche mit einem Gummistöpsel. Ich spannte sie in die
Zwinge eins Stativs. Ein zweites stellte ich daneben. Dann schaltete ich den
Monitor aus. Das Knacken verstummte.
    Ich blieb einen Augenblick
still stehen und lauschte auf den Gang hinaus. Nichts rührte sich.
    Schnell riß ich den Schrank
wieder auf, ergriff die Flasche, trug sie hinüber zu dem freien Stativ und
klemmte sie fest.
    Neben mir, im Tischkasten,
lagen Pipetten. Ich nahm eine Zehner und setzte den Gummiball zum Absaugen
darauf. Dann zog ich die Stöpsel von beiden Flaschen. Hundertmal hatte ich jede
dieser Bewegungen schon ausgeführt.
    Ich schob die Spitze der
Pipette in die Strontiumflasche und drückte

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