4 Meister-Psychos
Und Herr Mink nicht minder. Und der
Gerechte erbarmt sich seines Minkes, steht schon in der Bibel. Deshalb nehmen
wir an und bedanken uns.«
Julia gab Gas und der Mercedes
schnurrte mit leisem Fauchen die klebrig heiße Asphaltstraße entlang.
Der Nürnberger »Stachel« ist
ein freundliches Lokal. Marohn vertiefte sich mit Inbrunst in die Speisekarte,
und Julia nahm zur Kenntnis, daß er von Essen etwas verstand. Sie hatte sich
ausdrücklich ausgebeten, daß er ohne Rücksicht auf Verluste für beide ein Mahl
zusammenstellen sollte, das allen ästhetischen Ansprüchen genügte. Er unterzog
sich dieser Aufgabe mit männlichem Ernst.
Beluga-Malossol auf Röstbrot.
Londonderry Chateaubriand mit
Marktoast,
Prinzeßbohnen,
Spargeltomate,
Champignons,
englischem Sellerie
und Schloßkartoffeln
Gekühlter Fruchtsalat mit
Maraschino.
Julia war zufrieden, aber noch
mehr Freude bereitete ihr, den hungrigen Mann essen zu sehen. Unter dem Tisch
kaute Herr Mink an einem ungeheuren Knochen, den ihm der Ober mit unbewegtem
Gesicht auf einer Porzellanplatte serviert hatte.
Später, als der Eisblock
abgeräumt war, in dessen Höhlung die Schüssel mit dem Fruchtsalat ruhte,
tranken sie in kleinen Schlucken von dem glitzernden Steinwein.
»Ich hoffe, Ihre religiösen
Gefühle nicht zu verletzen«, sagte Marohn, »aber es ist, wie wenn ein Engel auf
Samthosen die Kehle herunterrutschte.«
»Sie sind ein Heide«, erwiderte
sie. »Wenn Sie so weitermachen, sehen wir uns noch in der Hölle wieder. Aber
Sie haben recht.«
»Ja. Und Sie glauben nicht, wie
gut er erst schmeckt, wenn man ihn auf fremde Kosten zu sich nimmt. Ich hätte
das nicht für möglich gehalten. Sie haben wirklich ein mildtätiges Herz.«
»Mir hat nur der Hund leid
getan, mein Herr.«
»Sind Sie im Tierschutzverein?
Vielleicht haben Sie dann die Güte und übernehmen seine Steuern für das nächste
Vierteljahr. Ein Hund in Deutschland ohne gültige Steuermarke, stellen Sie sich
das vor. Es wird ihm gehen wie dem Seemann in Travens Totenschiff, der seine
Seemannskarte verlor. Ein Ausgestoßener aus der hündischen Gemeinschaft. Alle
wohlversteuerten Hunde werden einen Bogen um ihn schlagen und mit den Pfoten
auf ihn weisen.«
Julia sah ihn tadelnd an.
»Können Sie eigentlich auch ernsthaft reden? Dann möchte ich Sie etwas fragen.«
»Nicht mit Frauen und nicht
nach dem Essen. Aber ohne Sie wären wir verhungert. Also fragen Sie.«
Sie blies den Rauch ihrer
Zigarette von sich. »Was haben Sie weiter vor?«
»Nach München zu kommen.«
»Und dann?«
»Dort lösen sich meine
Probleme.« Er schwieg, und Julia fühlte, daß sie jetzt nicht weiter fragen
durfte, obwohl sich seine Züge nicht verändert hatten. Sie hätte gern mehr
gewußt, aber sie beschloß zu warten, ihr war, als wäre hier eine Schranke, die
sie nicht ohne weiteres überspringen konnte.
»Und wie wollen Sie nach
München kommen?«
»Hoffentlich auf die gleiche
Weise, wie nach Nürnberg. Den gleichen Wagen finde ich vielleicht noch einmal —
den gleichen Fahrer bestimmt nicht.«
»Danke«, sagte sie und freute
sich. »Haben Sie Lust, mit dem Fahrer noch Kaffee zu trinken?«
»Ich müßte erst Herrn Mink
fragen.«
»Trinkt er Kaffee?«
»Nein, sein Kreislauf verträgt
es nicht.«
»Und Milch?«
»Darüber ließe sich eher
reden.«
»Na, dann kommen Sie,
ehrenwerte Herren.«
Er schüttelte den Kopf. »Mir
soll noch einer erzählen, in Westdeutschland dächte jeder nur an sich. Ich
werde ihn an Sie verweisen.«
Marohn sah sich um. Hier wohnte
sie also, Julia von Herlyn. Es war eine kleine, moderne Wohnung, zwei Zimmer,
kleine Küche, Bad, so, wie sie sich alle Untermieter der Welt erträumen. Er
mußte zugeben, daß sie großartig und mit Geschmack eingerichtet war. Die
Einrichtung paßte zur Besitzerin: weiblich, apart und klar. Herr Mink hatte auf
einem Kissen Platz genommen und schlief. Von der Küche her drang leises
Klirren, und der Duft des Kaffees ließ dessen Qualität ahnen. Julia brachte das
Tablett, und er konnte mit Muße noch einmal feststellen, wie schön sie war.
Jetzt, in ihren eigenen vier Wänden, kam sie erst richtig zur Geltung. Sie
spürte seinen Blick.
»Was gucken Sie?«
Er atmete tief.
»Es ist mir klargeworden, warum
Kellnerinnen mehr verdienen als Kellner. Sie sehen bezaubernd aus.«
»So? Verdienen Kellnerinnen
wirklich mehr?«
»Ja. Nach Ladenschluß. Sie...«
Er kam nicht weiter, denn Julia
schleuderte ihm
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