4 Meister-Psychos
Fest!«
»Wiedersehen, Miß Hollingway!«
Al griff nach seiner Jacke und
öffnete June die Tür. Als er sie geschlossen hatte, erhob sich dahinter ein
donnerndes Freudengebrüll.
Sie gingen stumm bis zum Wagen.
June schloß die Tür auf und drehte sich um.
»Al!«
»Ja?«
»Du wolltest mich doch etwas
fragen!«
»Oh — wollte ich das?«
»Feigling!«
»June, sag das nicht zu mir!
Bin ich nicht an der Mauer entlanggeklettert?«
»Feigling!«
»Hm — weißt du — ich dachte...
ich wollte gern wissen, ob du dich daran gewöhnen könntest, mit Maycock zu
unterschreiben?«
»Das könnte ich.«
»Wirklich? Es — es schreibt
sich auch ganz leicht, June.«
»Ich weiß.«
»Ja — das wär’s dann gewesen.
Bist du jetzt böse, June?«
»Sehr. Komm her, du Dummer!«
Ihr Kuß brannte auf seinen
Lippen.
»Aber erst brauch’ ich Geld,
June.«
»Wenn du mich heiratest, hast
du Geld. Und Onkel Aubrey hat eine Stelle für dich.«
»Grüß ihn von mir, June. Und
fahr saubere Kurven!«
»Trink nicht so viel, Al.«
»Fängst du jetzt schon an?«
»Man kann nicht früh genug
anfangen. Gute Nacht!«
»Gute Nacht, Liebste!«
Er wartete, bis er die
Schlußlichter des Rolls nicht mehr sehen konnte.
Die lange Spur
I
Julia war selig. Mochten andere
auf dem Rücken der Pferde ihr Glück finden — für sie war und blieb Auto fahren
das Schönste. Die Luft flimmerte im Licht, ihr warmer Strom ließ das dunkle
Haar des Mädchens fliegen. Der Mercedes glitt lautlos durch die Kurven. Wenn
die Straße abfiel, ließ sie ihn rollen, und wenn er steigen mußte, gab sie mehr
Gas als nötig und verspürte mit Entzücken die Kraft der Maschine, wenn die
Beschleunigung sie gegen die Rückenlehne preßte. Arme Fußgänger, die ihr nie
erfahren habt, was das für ein Gefühl ist — ich bedaure euch.
Die Straße verlief jetzt eben
und schnurgerade. Julia fuhr langsamer. Weit voraus, wo die Baumreihen zu einem
Punkt zusammenflossen, wurde eine Gestalt sichtbar, ein Mann in einer
Windjacke, der etwas unter dem Arm trug. Das war an sich noch kein Grund, die
schöne Fahrt abzubremsen. Aber auf der Höhe des einsamen Wanderers flitzte ein
kleines, braunes Bündel hin und her, und Julia wußte aus Erfahrung, daß
leinenlose Hunde unberechenbare Verkehrsteilnehmer sind. So rollte sie langsam
an Mann und Hund heran. Der Mann schien erschöpft, er ließ den Kopf hängen und
drehte sich nicht um, als der Wagen sich näherte. Der Hund aber sauste bellend
darauf zu, und Julia bremste mit einem Ruck
Der Mann fuhr herum, rief mit
scharfer Stimme: »Mink, elendes Mistviech«, bückte sich und hielt im nächsten
Augenblick den Dackel in die Höhe. Julia und er sahen sich stumm an.
Er erblickte ein schwarzes
Kabriolett und darin ein schwarzhaariges Mädchen mit graugrünen Augen,
bildschön, mit sonnenverbranntem, leicht hochmütigem Gesicht. Sie sah einen
langen, bleich und müde aussehenden Mann mit hellem Haar und staubiger
Kleidung, der mit der rechten Hand einen entzückenden Langhaardackel hielt und
sie voller Bewunderung anstarrte.
»Sie können ihn wieder
runterlassen«, sagte Julia spöttisch. »Es ist mir lieber, er wirft sich vor den
nächsten Wagen.«
»Entschuldigen Sie«, sagte der
Mann und setzte den Hund auf die Straße, »ich werde ihn den Schweinen zum Fräße
vorwerfen. Er benimmt sich wie die Axt im Walde, und sein Vater war auch bloß
ein Hund. Vermutlich wollte er mitgenommen werden. Genügt es Ihnen, wenn ich
mich für ihn schäme?«
»Ich hätte gern gesehen, wie
rot er werden kann«, sagte das Mädchen. »Wo wollen Sie hin?«
»Sie wären imstande, Herrn Mink
und mich...?«
»Ja ich wäre. Reden Sie ihn
immer mit Herrn an?«
»Meistens. Wissen Sie, er hat
einen sehr langen Stammbaum. Ich kann das von mir leider nicht sagen. Wir...«
»Gut, gut.« Julia hatte nicht
lachen wollen, aber sie mußte. »Ich fahre bis Nürnberg; wenn Ihnen das etwas
nützt?«
»Es nützt«, sagte er und
öffnete die Tür. Der Dackel sprang sofort auf den Sitz, dann auf Julias Schoß
und stellte die Vorderpfoten auf die Speichen des Lenkrades.
»Er ist ein Autohund«, sagte
der Fremde entschuldigend. »Nicht, daß Sie denken, er hätte gegenüber Frauen
keine Hemmungen. Darf ich mich, ehe Sie starten, noch vorstellen? — Peter
Marohn, 30, 188, Existenz fragwürdig, Schulbildung erfolglos, Charakter
vorhanden, Wassermann negativ. Meine Wiege stand in Jena.«
»Herlyn«, sagte Julia und
verbeugte sich leicht.
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