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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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Rasierschaum läuft zäh über mein Knie, hinunter zu meinem Fuß.
    „Was ist?“, rufe ich meiner Mutter entgegen.
    „Telefon.“ Sie reicht mir das Telefon durch die Sprossen des Treppengeländers. „Ein Julian.“ Sie grinst.
    „Julian?“
    „Ja, hi, wie geht’s dir?“ Beim Klang seiner Stimme springt das Eichhörnchen aufgeregt gegen meinen Brustkorb und rempelt gegen meinen Magen.
    „Ganz gut und dir?“ Meine Stimme hält sich gut. Ich klinge tatsächlich gelassen. Gar nicht wie die ungeliebte Stiefschwester.
    „Auch gut.“ Schweigen. Jetzt fragt er sich sicher, warum er überhaupt angerufen hat. „Und? Was machst du heute noch?“
    „Ich hab’ noch nichts vor, du?“ Bitte frag mich, ob wir etwas machen wollen. Bitte.
    „Kai und ich wollten heute Abend weggehen.“ Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf seine Stimme. „Vielleicht habt ihr ja Lust mitzukommen?“
    „Caro und ich?“
    „Ja, also ich meine, wir gehen da mit paar Kumpels hin, aber es wäre schön, wenn du auch kommst.“
    „Ja, klar, gerne.“ Der Rasierschaum bedeckt inzwischen meinen gesamten Fuß.
    Er räuspert sich. „Ich würde dir noch mal Bescheid geben, wann wir uns wo treffen.“
    „Ist gut.“
    „Gut, dann melde ich mich später.“
    „Ich freu mich.“ Meine Hände zittern. Ich wünschte, es wäre schon Abend.
    „Ich mich auch.“
    Eine Weile halte ich noch das Telefon in der Hand. Ich bin wie betäubt. Ich spüre nicht einmal mehr meinen schmerzenden Zeh. Das war vermutlich das verkrampfteste Telefonat der Geschichte, doch das macht nichts. Er hat angerufen. Gleich zwei Mal. Der Julian mit den schwarzen Augen hat mich angerufen. Tagträumend gehen das Eichhörnchen und ich zurück ins Bad. Ich bemerke das Radio nicht. Ich höre nur noch Geigen.
     
Kapitel 19  
    „Warum hast du das gesagt?“, frage ich als er die Tür öffnet. Seine Haare sind zerzaust. So mochte ich sie immer am liebsten. Seine zusammengekniffenen Augen kämpfen gegen die unvermittelte Helligkeit, die Stirn liegt in Falten. „Denkst du ehrlich, du brauchst nur mit den Fingern zu schnippen und ich springe mit dir ins Bett?“
    „Nein, das denke ich nicht.“
    „Ich bin verheiratet, Julian.“ Wir schauen uns in die Augen. „Verheiratet. Du hast vielleicht davon gehört, das ist dieses Versprechen, sich für immer treu zu sein und sich zu lieben.“
    „Hör zu, ich...“
    „Nein, ich höre dir nicht zu“, unterbreche ich ihn. „Denkst du, ich riskiere das alles für eine Nacht mit dir?“
    „Es geht mir nicht nur um eine Nacht.“ Und das verschlägt mir die Sprache. „Aber du hast recht, du bist verheiratet, für dich steht etwas auf dem Spiel. Für mich nicht.“
    „Was ist mit Katja? Ich dachte, sie wäre die Frau deines Lebens.“
    „Katja ist... unkompliziert.“
    „Und was genau willst du damit sagen? Im Gegensatz zu mir, oder was?“
    Er legt seine Hände auf meine Schultern. „Ich hätte das nicht sagen sollen, okay? Das war ein Fehler.“
    Ich nehme seine Hände weg und gehe einen Schritt rückwärts. „Du wusstest das auch bevor du es gesagt hast. Du wusstest, dass ich verheiratet bin. Du wusstest, dass es ein Fehler ist. Ich kenne dich und ich weiß, dass du es gewusst hast. Du wusstest, was du tust. Warum hast du es trotzdem gesagt?“
    „Keine Ahnung“ Er lehnt sich gegen den Türrahmen. „Ich kann es dir ehrlich nicht sagen. Ich habe nicht groß drüber nachgedacht.“
    „Das sieht dir ähnlich.“
    Eine Weile schauen wir uns nur an. Die Eichhörnchen schmelzen bei seinem Anblick dahin. Sie schmachten und versinken in seinen Augen. „Eine Sache verstehe ich aber nicht ganz.“
    „Und zwar?“, frage ich und ignoriere die gefühlsduseligen Eichhörnchen.
    „Nur um mir das zu sagen, kommst du um drei Uhr morgens extra hierher?“ Und ich muss zugeben, ich hasse diese Frage. „Du hättest morgen in aller Früh den Flieger nehmen können. Genau genommen, könntest du jetzt in einem Flugzeug nach München sitzen. Du hättest ohne ein Wort verschwinden können. Aber stattdessen stehst du hier.“
    „Das habe ich vor.“ Ich klinge wie ein trotziges Kind. Und ich kann mich nicht leiden, wenn ich so klinge. Das bedeutet nämlich entweder, dass ich nervös bin, oder dass Julian in meiner Nähe ist. In diesem Fall also beides. „Das mit dem Flieger meine ich. Also das mit dem Abreisen.“
    „Und warum liegst du dann nicht im Bett und schläfst?“
    „Weil ich nicht schlafen konnte.“
    „Wegen den

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