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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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bei einem Mal bleibt? Keine Ahnung. Was wäre denn dann? Sag du es mir doch. Ich weiß nicht. Was ist mit Tobias? Er hat das nicht verdient. Ja, ich weiß. Das hat er nicht. Außerdem liebst du Tobias. Ja, das tue ich. Und? Was wirst du jetzt tun? Nichts. Aber du willst es tun. Ja, stimmt. Du bist eine Heuchlerin. Ach, lass mich doch in Frieden. Ich will nichts mehr hören.
    Wie kann Julian so etwas sagen? Gestern sagt er noch, ich wäre keine Katja und dann so was. Wie kann das für ihn nicht schwierig sein? Gut, er ist nicht verheiratet. Und er und Katja sind noch nicht wirklich lange zusammen. Aber sie sind zusammen. Und sie liebt ihn. Das ist offensichtlich. Er würde jemanden betrügen. Und ich würde jemanden betrügen. Und Tobias ist ein toller Jemand. Was bildet er sich eigentlich ein, so etwas zu sagen? Für wen hält er sich? Denkt er denn tatsächlich, dass sich gar nichts geändert hat? Denkt er, dass er nur mit den Fingern schnippen muss, und ich komme gesprungen? Das war einmal. Diese Zeiten sind vorbei. Julian mag einmal meine Droge gewesen sein. Doch ich habe den Entzug überlebt. Ich habe ihn überlebt. Und ich bin eine andere geworden. Eine Frau, die sich nicht über einen Mann definiert. Ich bin frei.
    Für einen kurzen Augenblick fühle ich mich gut. Doch dann steigt die Frage in mir auf, warum ich mich so fühle, wie ich mich fühle, wenn ich doch angeblich so frei bin. Frei von was? Frei von Julian? Frei von Gewissensbissen, weil ich mich zusammenreiße? Ist doch alles Blödsinn. Ich bin nicht frei. Und ich habe Gewissensbisse. Und die Wahrheit ist, dass sich vielleicht doch nicht so viel geändert hat, wie ich gerne hätte. Und ich weiß, es ist schrecklich, so etwas überhaupt nur zu denken, aber gerade habe ich das Gefühl, als wäre ich niemals so wenig frei gewesen wie in diesem Moment. Ich bin gefangen in meiner Ehe. Und während mein Dämon sich zufrieden die Hände reibt, benutzen die Eichhörnchen meinen Magen als Trampolin.
    Wie kann ich so etwas denken? Tobias ist fantastisch. Er ist aufmerksam und liebevoll. Er ist mein zu Hause. Der Mensch, der immer zu mir steht. Ich schaue aus dem Fenster. Der Himmel erinnert mich an diese kitschigen Gemälde von Bob Ross. Viel zu viel Rosa und Rot. Fast zu künstlich, um natürlich zu sein. Und beim Anblick dieses Himmels, denke ich an Julians und meinen ersten Kuss. Und bei diesem Gedanken, rastet mein Dämon völlig aus.
    …
    Ich gehe auf und ab. Mein Blick fällt auf den gemusterten Teppichboden, dann auf seine Zimmertür. 605. Komisch. Gestern war der sechste Mai. Dann fällt mein Blick wieder auf den Teppich. Solche Muster gibt es wirklich nur in Hotels. Was mache ich hier eigentlich? Ich sollte im Bett liegen und schlafen. Oder besser noch in einem Taxi in Richtung Flughafen sitzen. Hätte ich ihn doch nie wieder gesehen. Ich wünschte, er wäre einfach für den Rest meines Lebens ein verschwommener Schatten der Vergangenheit geblieben, der sich ab und an als plötzlicher stechender Schmerz in meine Gedanken drängt und dann wieder verschwindet. So wie vorher eben.
    Ich habe einen guten Mann. Einen Mann, der mich liebt und respektiert. Einen Mann fürs Leben. Und Julian ist ein Mann für gewisse Stunden. Er ist ein flatterhafter Egomane, dem es eigentlich immer nur um sich selbst ging. Und alles, was sich ihm und seinen Zielen in den Weg gestellt hat, wurde überfahren. Kollateralschäden. Ich war so einer. Wenn ich das alles weiß, was mache ich dann hier? Warum nehme ich nicht einfach eine Schlaftablette – oder auch fünf – und ersticke die Gedanken. Na, weil es nicht geht. Julian ist wie ein Tinnitus, den man nicht mehr loswird. Er lässt sich nicht ignorieren. Er findet einen Weg in meinen Kopf. Er hat sich dort eingenistet und er scheint nicht vorzuhaben, so schnell wieder abzuhauen. Wieso bin ich so wütend? So kenne ich mich gar nicht. Oder zumindest lange nicht mehr. Ich bin so wütend, dass ich mich fast ein bisschen vor mir selbst fürchte. Mein Verstand versucht, mich davon zu überzeugen, dass es fatale Folgen haben könnte, wenn ich nicht auf der Stelle in mein Zimmer zurückgehe. Doch anstatt auf den gut gemeinten Rat meines Verstandes zu hören, klopfe ich ruppig an seine Tür. Und wenig später geht sie auf.
     
Kapitel 17  
    Als ich die Hotel-Lobby betrete, grummelt mein Magen. Wie konnte ich nur zusagen? Warum habe ich nicht einfach den Abend mit Tobias verbracht? Er sagt, dass ihn dieser Tag komplett überrascht hat

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