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434 Tage

434 Tage

Titel: 434 Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Freytag
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viel Anstand könnte ich haben. Ich habe ihm vom der Affäre erzählt und bis jetzt trägt er es mit Fassung. Aber wenn ich jetzt nicht lüge, dann wird die Fassung verpuffen. Er wird ausrasten. Wobei ich mir nicht vorstellen kann, wie es aussieht, wenn Tobias ausrastet. Tobias rastet nicht aus. Nie. Er denkt nach und sucht nach rationalen Lösungen für irrationale Probleme. Ich schaue ihn an. In seinen Augen sammeln sich Tränen, dann lächelt er. Und dieser Anblick bricht mir das Herz. „Du brauchst nicht zu antworten...“ Tobias schaut in seinen Schoß und atmet tief ein. „Liebst du ihn?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Du weißt es nicht.“
    „Nein, Tobias, ich weiß es nicht.“
    „Hast du es beendet?“
    „Indirekt.“
    „Das am Telefon heute...“ Er schaut mich an. „... war er das?“ Ich nicke. „Julian Bartig, also. Der Mann, an dem du alle Männer gemessen hast. Du hast mir nie gesagt, wie er mit Nachnamen heißt.“ Und in diesem Augenblick, in dem alles auf dem Tisch liegt, frage ich mich, warum ich es ihm gesagt habe. Warum etwas beichten, das man auch einfach hätte verschweigen können? War das selbstsüchtig? War es, damit ich mich besser fühle? Was habe ich mir gedacht? Alles, was vor einer halben Stunde noch irgendwie zu retten gewesen wäre, liegt nun in Scherben vor mir. Und ich tue unbeteiligt, obwohl ich diejenige war, die die Ordnung mit einem Baseballschläger in tausend Stücke gefetzt hat. „Warum hast du es mir gesagt?“ Ich zucke mit den Schultern. „Ich meine, wenn du es beendet hast, hättest du es mir doch einfach verschweigen können. Du hast ein Jahr lang nichts gesagt, warum jetzt? Warum, wenn du es beendet hast?“ Ich betrachte meine Fingernägel. „Willst du mich verlassen? Ist es das, was du willst?“
    „Ich...“
    „Ich habe dir vertraut“, fällt er mir ins Wort.
    „Ich weiß“, sage ich und kämpfe mit den Tränen.
    „Na, wenigstens kann man in diesem Fall nicht wirklich von fremdgehen sprechen.“ Tobias schaut mich an. „Er ist schließlich nicht fremd.“ Ich wische mir mit dem Handrücken über die Wange. „Ich muss schon sagen, ich bewundere dich fast ein bisschen.“
    „Du bewunderst mich?“, frage ich und schlucke.
    „In einem Jahr nicht ein Fehler“, sagt er anerkennend. „Ich meine, kein Versprecher, keine Lügen, die nicht im Bereich des Möglichen gewesen wären, nichts. Das ist beeindruckend.“
    „Und trotzdem hast du es gewusst.“
    „Seit Genf hatten wir nur zwei Mal Sex, mit heute Nachmittag, drei Mal.“ Er reibt seine Fingerkuppen aneinander. „Und du warst anders. Du bist als Anja weggefahren und als Fremde zurückgekommen. Ich hätte es gleich wissen müssen, als du erzählt hast, dass du ihn getroffen hast. Und ich Idiot dachte doch tatsächlich, es hätte dich einfach mitgenommen, ihn nach so langer Zeit plötzlich wiederzusehen.“ Er schaut mich lange an. „Warum hast du mir damals überhaupt erzählt, dass du ihn getroffen hast? Ich meine, du hättest es mir verschweigen können. So wie den Rest auch.“
    Ich massiere meine Schläfen. „Ich habe dir davon erzählt, bevor etwas zwischen uns passiert ist.“
    „Sonst hättest du vermutlich nichts gesagt.“
    „Nein, wohl eher nicht.“ Seine sonst so gütigen Augen sind leer, ohne jeden Ausdruck liegen sie fremd in seinem Gesicht. „Falls es dich irgendwie tröstet, mein schlechtes Gewissen hat mich fast umgebracht“, sage ich nach einer Weile.
    „Aber abhalten konnte es dich nicht.“
    …
    „Was ist jetzt mit uns?“
    „Es gibt kein uns mehr“, sagt er nüchtern. „Ich liebe dich Anja, ich liebe dich wirklich. Und vielleicht hätte ich dir einen Seitensprung noch verzeihen können, vielleicht auch eine kurze Affäre mit einem Fremden, aber das...“ Ich weine lautlos. Eine Träne nach der anderen läuft über mein Gesicht. „Ich kann dir nicht mehr vertrauen und ich denke, ich kann dir auch nicht verzeihen.“
    „Ich liebe dich Tobias.“
    Er schaut mich an. „Warum hast du es dann getan?“
    „Ich weiß es nicht“, antworte ich schluchzend.
    „Ich verstehe nicht, warum du es mir gesagt hast. Du hättest einfach zu mir zurückkommen können. Weißt du, ich dachte, du wärst heute Nachmittag zu mir zurückgekommen.“
    „Deswegen bin ich heute ja auch nicht zu ihm gegangen.“
    „Jetzt, wo du es mir gesagt hast, ist es zu spät.“ Er schüttelt den Kopf. „Ich habe immer gewusst, dass er in deinem Kopf ist, immer mal wieder. Ich habe immer

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