44 - Die Intrige von Antares
Ich schon. Als ich mich ein ordentliches Stück von dem Debakel in der Küche entfernt hatte, ließ ich mich zu Boden sinken, lehnte den Rücken bequem an die Wand und widmete mich dem Proviant.
Was für eine Nacht! Zuerst waren es rollende Fässer gewesen, dann Nudelhölzer. Was kam wohl als nächstes dran?
Der Schinken war gut, der Wein verwässert. Nach einer gewissen Zeit stand ich auf und machte mich wieder auf den Weg. Diesmal nahm ich die Gänge, die aufwärts führten.
Es ist überflüssig, all die Gänge und Spalten näher zu beschreiben, auf die ich im Verlauf meiner Suche stieß. Es reicht, wenn ich sage, daß ich gegen Morgengrauen mein Ziel endlich erreicht hatte.
Verhalten atmend spähte ich durch den Spalt in der Mauer in Kov Brannomars persönliches Gemach. Der Raum war wie ein Arbeitszimmer möbliert; es gab wohlgefüllte Bücherregale, einen Schreibtisch, einen bequemen Sessel, ein Sofa und einen Tisch, an dem Brannomar gerade saß. Das andere Ende des Tisches war von meinem Blickpunkt aus nicht zu sehen; das war das einzige Guckloch. Ich blieb reglos stehen und lauschte. Brannomar sprach in einem entschiedenen, unnachsichtigen und fast bedrohlichen Ton.
»... für deine Dummheit verdienst du, am Schwanz eines Calsanys einmal um den Palast geschleift zu werden. Ist dir überhaupt klar, welchen Schaden du angerichtet hast?«
Eine Frauenstimme antwortete. Als sie sprach, trat sie in mein Blickfeld.
»Für meine Kinder, Kov! Nur ihretwegen – bitte, du mußt mir glauben!«
»Das kann ich nicht.«
Sie trug ein fließendes dunkelblaues Gewand, das mit viel Goldspitze besetzt war. Ihr gescheites Gesicht, das so sehr an einen Falken erinnerte, drückte nun abgrundtiefe Verzweiflung aus. Sie bettelte um ihr Leben. Ihre Hände verkrallten sich in den Spitzenbesatz über ihrer Brust, und das Haar fiel ihr wirr über die Schultern.
»Bitte, Notor, ich habe euch doch nicht schaden wollen! Ich schwöre es!«
»Von mir aus kannst du bei allen Göttern schwören, die es gibt, Lady Vita, dieses ganze Unheil ist trotzdem deine Schuld. Das Königreich wird untergehen. Bei Beng T'Tolin, Frau, deine selbstsüchtigen Intrigen haben einen Krieg verursacht!«
»Aber ich wollte doch nicht, daß ...«
»Ich weiß, was du gewollt hast, Vita. Lord Jazipur war gut genug für dich, als du ihn geheiratet hast. Er ist ein anständiger, aufrechter Mann ...«
»Ja!« sagte sie aufbrausend. »Er ist so aufrecht, daß er jeden Ehrgeiz verloren hat!«
»Er dient mir und meinem Kovnat, und dadurch dem Königreich. Er versteht, was seine Position bedeutet. Ich schätze ihn als Freund. Aber du ...«
»Ich habe nicht gewußt, daß sie so schreckliche Dinge tun würden!«
»Hättest du deinen Mann um Rat gefragt, hättest du auch die Realitäten der Politik besser verstanden. So wie es aussieht, haben deine vom Ehrgeiz getriebenen Einmischungen den Punkt überschritten, an dem noch etwas rückgängig zu machen wäre. Die Würfel sind gefallen. Es wird Krieg geben, Frau! Einen Krieg, den du verursacht hast!«
Sie wich zurück, da sie anscheinend endlich das Ausmaß ihres Verrates begriffen hatte. Ich hatte sie in Khonstantons Palast gesehen. Es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, was sie dort getan hatte. Jeder Frau steht ein gesunder Ehrgeiz zu, und sie hat auch das Recht, die Karriere ihres Mannes zu unterstützen. Der Ehrgeiz der Frauen hat schon Schicksale vollendet, Reiche begründet und gestürzt. Bei der Geburt haben Männer und Frauen nur die Rechte, die ihnen Abstammung und Zivilisation verleihen. Mißbrauch führt zur Tragödie. Die arme Lady Vita hatte ihren Ehrgeiz übertrieben, und er hatte sie nun zu Fall gebracht.
Die beiden machten auf diese Weise noch eine Zeitlang weiter, Anschuldigungen und leidenschaftliche Verteidigungsreden wechselten einander ab, und vieles ergab einen Sinn.
Um ehrlich zu sein, verlor ich langsam die Geduld mit ihnen. Brannomar stritt sich doch tatsächlich mit der Frau. So etwas hätte ich nie von ihm gedacht. Aus dem Gesagten entnahm ich, daß Lady Vita einst die Absicht gehabt hatte, Hyr Kov Brannomar zu heiraten. Er hatte sie abgewiesen. Ihr erster Mann war gestorben; aus der Verbindung entstammten zwei Kinder. Es stellte sich natürlich die Frage, ob Vita beim Tod ihres Mannes nicht nachgeholfen hatte. Wie dem auch sei, sie hatte dann Jazipur geheiratet, Brannomars geschätzte rechte Hand. Jazipur besaß uneingeschränkt Brannomars Vertrauen, und soweit ich es beurteilen
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