44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
sich über den Palisadenzaun.
So gelangte er glücklich in das Freie, ohne bemerkt worden zu sein, umging die Hacienda und schlug dann die Richtung nach den Ladrillos ein.
Es war zwar dunkel, aber sein geübtes Auge erkannte die Umgebung so gut, daß er nicht zu befürchten brauchte, die Richtung zu verfehlen. Er hatte während seiner Wanderungen durch die Wildnis gelernt, unhörbaren Schrittes zu gehen. So hätte auch heute nur dann einer ihn bemerken können, auf den er geradezu gestoßen wäre. Als er glaubte, den Ladrillos nahe gekommen zu sein, verdoppelte er seine Vorsicht und bewegte sich schließlich nur in kriechender Stellung vorwärts.
Plötzlich hielt er an und sog die Luft mit geöffneten Nasenflügeln ein.
„Was ist das?“ dachte er. „Das ist ein brenzliger Geruch, untermischt mit dem Duft von gebratenem Fleisch. Ich glaube gar, dieser Kerl ist so dumm, oder so verwegen, ein Feuer zu brennen. Auf ebener Erde aber kann das nicht sein, denn dann müßte man es bemerken. Es ist nahe von hier, denn der Bratengeruch geht nicht weit. Wollen doch sehen!“
Er kroch dem Geruch nach und gelangte bald an das weiter oben beschriebene Loch. Es hatte höchstens zwanzig Fuß im Durchmesser und zehn Fuß in der Tiefe. Am Rand standen Büsche, unter welchen Sternau sich versteckte.
Er sah nun den Mann, welcher unten bei einem kleinen Feuer saß und sich ein wildes Kaninchen briet. Mitternacht war gar nicht mehr fern, und Sternau machte es sich so bequem wie möglich in seinem Versteck. Der Mann begann, sein Kaninchen zu verspeisen, und zwar mit einem solchen Appetit, daß bald nichts mehr übrig war. Er hatte eine Doppelbüchse neben sich liegen und ein Messer im Gürtel. Seine Gestalt war zwar kräftig und untersetzt gebaut, aber Sternau sah, daß es ihm nicht schwer fallen werde, diesen Menschen ohne großes Geräusch zu überwältigen.
So wartete er, bis es ihm vorkam, als ob er leise Schritte vernehme. Er war so klug gewesen, sich entgegengesetzt der Seite zu verbergen, nach welcher die Hacienda lag; daher brauchte er sich nicht zu sorgen, von dem Nahenden bemerkt zu werden.
Die Schritte wurden deutlicher. Auch der Mexikaner da unten lauschte und erhob sich dann. Drüben auf der anderen Seite des Randes wurde das Buschwerk auseinandergezogen, und die Gestalt des Rittmeisters oder Kapitäns erschien, von dem matten Schein des Feuers beleuchtet.
„Bist du toll, Mensch?“ fragte er.
„Warum?“ meinte der Mexikaner.
„Daß du ein Feuer brennst!“
„Oh, das sieht kein Mensch. Ich hatte Hunger und habe mir einen Braten gemacht.“
„Der Teufel hole deinen Braten! Man riecht das Feuer ja auf hundert Schritt!“
„Ja, aber auf hundert Schritt kommt nur der heran, der hier zu tun hat. Wir sind hier vollständig sicher. Kommt herab, Señor!“
Der Kapitän stieg hinab, ließ sich aber nicht bei ihm nieder.
„Ich darf nicht lange abwesend sein“, sagte er, „darum wollen wir es kurz machen. Wo sind deine Leute?“
„Drüben hinter den Bergen im Wald.“
„Wissen sie, wo du bist?“
„Nein.“
„Hm, das ist mir lieb. Ich wünschte so wenig wie möglich Vertraute haben zu können. Kannst du sie nicht los werden?“
„Vielleicht. Aber kann ich denn allein verrichten, was Ihr verlangen werdet?“
„Ich hoffe es!“
„Bei derselben Bezahlung?“
„Ja. Ich gebe dir dasselbe, was ich den anderen in Summa geben würde. Wenigstens das, was ich jetzt verlange, kannst du allein verrichten.“
„Was ist das?“
„Hm, ich sehe, daß du ein doppelläufiges Gewehr hast. Bist du deines Schusses sicher?“
„Ich fehle nie.“
„Du sollst zwei gute Schüsse für mich tun.“
„Ah, ich errate! Wen soll ich treffen?“
„Den Sternau und den Spanier.“
„Schön, sie sollen die Kugeln haben; aber wann und wo, das ist die Frage.“
„Das sollst du hören. Kennst du den alten Kalkbruch da hinter dem Berg?“
„Sehr gut, denn eben dort sind meine Leute.“
„Die müssen fort. Morgen früh fünf Uhr habe ich ein Duell dort.“
„Caramba! Wollt Ihr Euch ermorden lassen?“
„Ohne deine Hilfe ist das sehr leicht möglich. Ich und Leutnant Pardero haben den Deutschen gefordert, und dieser Mariano ist sein Sekundant. Er hat sich zwar zweien zu stellen, aber dieser Sternau hat tausend Teufel im Leib; man muß sich vor ihm in acht nehmen. Er muß bereits vor Beginn des Duells unschädlich gemacht werden, und das sollst du tun.“
„Gern, Señor. Und der Mariano
Weitere Kostenlose Bücher