45 - Die Banditen von Antares
Norden.
Hoch über unseren Köpfen bewegten sich Lichtpünktchen von einem Hügel zum nächsten. Das hochmütige Volk, das in den an Tragseilen befestigten Calimern fuhr, würde sich nicht einmal die Mühe machen, einen Blick in den unter ihm befindlichen Abgrund zu werfen. Das Licht der Seilbahnkabine, das sich gegen den dunklen Himmel abzeichnete, sah romantisch und geheimnisvoll aus. Hier unten hingegen gab es nur Blut, Dreck und Tod.
Die meisten Banden organisierten sich in Unterabteilungen, die sie Gruppe nannten und deren Anführer demonstrativ militärische Ränge verliehen bekamen. Wie sich herausstellte, war dieser Brokelsh Brory der Tapfere ein Gruppen-Jiktar, was also bedeutete, daß er eine Gruppe anführte. Dimpy hatte uns erzählt, daß er es in seiner aufgelösten Bande zum Gruppen-Deldar gebracht hatte. Nun kümmerte sich der Jiktar eilig darum, den nächsten Angriff vorzubereiten.
Ich mit meiner nicht unbeträchtlichen Erfahrung im Straßenkampf war davon überzeugt, daß ein wilder Frontalangriff über eine offene Straße gewöhnlich nur in einer Katastrophe enden konnte. Normalerweise bahnte man sich einen Weg durch die Gebäude, die die Straße flankierten. Ich hatte den Eindruck, daß Brory die Barrikade für kein ernstzunehmendes Hindernis hielt. Nun, bei Djan, es war zwar eine wackelige Konstruktion, doch für diese Schläger hatte sie sich bereits als zu harte Nuß erwiesen.
Ich verspürte einen Stich. Bei Vox, ja! Ich konnte es direkt vor mir sehen: wie meine Swods der Schwertwache des Herrschers oder die Gelbjacken des Herrschers diese Straße wie ein gewaltiger Besen gesäubert hätten. Oder die Brumbyten der Phalanx – sie würden einer Flutwelle gleich über die Stühle und Tische und Karren hinwegfegen. Nun ja, sie waren alle weit weg und zweifellos sehr beschäftigt.
Und so teilte der nächste mit viel Geschrei begonnene Ansturm das Schicksal aller vorherigen Bemühungen.
Obwohl der zwischen den Hügeln verlaufene Graben eigentlich recht schmal war, wurde die breite Straße von Gebäuden flankiert. Ich betrachtete sie schlechtgelaunt. Ich konnte es in den Knochen spüren, daß die Herren der Sterne mein Privatvergnügen nicht mehr lange dulden würden. Sie wollten, daß ich meinen Pflichten nachkam, und würden mich garantiert in unmittelbarer Zukunft von hier wegholen. Diesen düsteren Gedanken konnte ich nicht abschütteln. Es war dringend erforderlich, jenen Plan in Angriff zu nehmen, den ich geschmiedet hatte, als die Sonnen die gegenüberliegende Hügelkante mit ihrem buntschillernden Licht überfluteten. Nun lag dieser Ort in tiefster Dunkelheit, und die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln würde bald ein dämmriges rosafarbenes Licht ausstrahlen, das diese höllische Imitation der Nacht des Notor Zan etwas aufhellen würde.
Brory hatte einen oberflächlichen Schnitt über dem Ohr davongetragen und trug nun ein rotbeflecktes gelbes Tuch um die Stirn. Er grunzte, als ich ihn ansprach, doch er hörte zu. Dann erwiderte er kurz angebunden, daß der Weg durch die Häuser das zunichte machen würde, worum sie kämpften. Ich hielt dagegen, daß sie, falls sie es nicht taten, lediglich mit noch mehr Toten und Verwundeten zu rechnen hatten, aber nichts erreichen würden. Er kommentierte es mit einem erneuten Grunzen. »Du darfst dir ja einen gewalttätigen Kampf wünschen«, sagte ich. »Aber ein Kampf muß gelenkt werden. Wenn du nicht der Gruppen-Jiktar wärst, würde ich sagen, du benimmst dich wie ein Tanzy.«
Das kommentierte er nicht mit einem Grunzen. O nein, bei Djan! Er geriet auf seine ungehobelte, haarige Brokelsh-Art in Wut. »Für wen zum Teufel hältst du dich? Ich führe diese Gruppe an – nicht du! Ich weiß nicht einmal, wo du überhaupt herkommst. Keiner scheint dich zu kennen.«
»Habe ich an der Barrikade gekämpft oder nicht?«
»Das hast du.«
In unserer unmittelbaren Umgebung gab es keine Fackeln, deshalb konnte ich mich auf die Straße wagen und mit einer dramatischen Geste auf das Hindernis zeigen.
»Schick deine Leute in den Tod, Brory! Laß zu, daß man sie erschießt und erschlägt! Ich werde einen Weg durch die Häuser finden.«
Das Yrium, jene gesegnete oder auch verfluchte Macht, die ich besitze, loderte auf. Die Herren der Sterne hatten mich auserwählt, dieser lächerliche Herrscher aller Herrscher zu sein. Und obwohl ich mir nichts sehnlicher wünschte, als daß es nie dazu gekommen wäre, wußte ich in meinem Inneren, daß sie gut
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