46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
Was hat dies mit dem gegenwärtigen Fall zu tun?“
„Sehr viel. Wenn wir unter den Effekten dieser Leute nun etwas fänden, was uns Veranlassung gäbe – hm!“
Da nickte der Kapitän zustimmend mit dem Kopf.
„Sie haben recht, Oberleutnant“, sagte er. „Ich gebe diese Angelegenheit in Ihre Hände; aber beeilen Sie sich gefälligst; wir haben keine Zeit zu verlieren, da wir bereits morgen nach Fort Guadeloupe kommen werden. Untersuchen Sie die beiden Zelte genau; ich werde einstweilen hier bleiben, um unsere geehrten Gefangenen zu beaufsichtigen. Gehen Sie!“
Der Oberleutnant ging, und der Hauptmann blieb bei den beiden Männern. Da er nicht sprach und die zwei wegen ihrer Knebel nicht reden konnten, so herrschte im Zelt eine tiefe Stille bis nach einer halben Stunde der Premierleutnant zurückkehrte. Er machte eine befriedigte Miene.
„Nun, was haben Sie gefunden?“ fragte der Kapitän.
„O, genug“, antwortete der Gefragte triumphierend.
„Was?“
„Zwei Briefe.“
„Bei wem?“
„Bei jedem einen. Diese Herren hatten allerdings eine Anzahl von Korrespondenzen bei sich; ich habe nur diejenigen beiden Schreiben fortgenommen, deren Inhalt hinreichend ist, sie um den Kopf zu bringen!“
„So geben Sie schnell her!“ sagte der Kapitän erfreut.
Er zog dem Oberleutnant das eine Schreiben aus der Hand, öffnete dasselbe, trat damit zum Licht und las:
„Mein lieber Doktor.
Schicken Sie mir das Opiat; es wird hoffentlich den gewünschten Erfolg haben. – Übrigens haben Sie hinsichtlich unserer letzten Unterredung vollständig recht. Bazaine spielt falsche Karten. Man muß ihm auf die Finger klopfen.
Baron d'Huart.“
Er sah die Zeilen nochmals durch, schüttelte leise den Kopf und fragte:
„Nun, Oberleutnant, wie meinen Sie, daß dieses Schreiben kompromittierend sei?“
„Ah, das ahnen Sie nicht?“
„Hm! Sprechen Sie!“
„Kennen Sie diesen Baron d'Huart nicht?“
„Nein.“
„Er ist Hauptmann und Ordonnanzoffizier seiner Königlichen Hoheit des Grafen von Flandern.“
„Was geht das uns an? Was hat Flandern mit Mexiko zu tun?“
„O, sehr viel, Herr Kapitän!“ sagte der Oberleutnant im Ton der Überlegenheit.
„So erklären Sie es doch!“
„Nun, Graf von Flandern ist der jedesmalige Nachfolger des Kronprinzen von Belgien. Es ist jetzt eine außerordentliche belgische Gesandtschaft bei dem Kaiser Max. Kaiserin Charlotte, die frühere Erzherzogin, ist ja eine belgische Prinzessin. Nun wird Ihnen ja wohl alles klar sein.“
„Allerdings“, nickte der Kapitän. „Dieser Hauptmann Baron d'Huart ist also in nächster Nähe des Kaiserpaares in Mexiko?“
„Das versteht sich.“
„Er sagt, daß der Marschall falsche Karten spiele.“
„Wie Sie gelesen haben!“
„Und daß man ihm auf die Finger klopfen müsse.“
„Was jedenfalls so viel heißt, daß man Bazaine unschädlich machen müsse.“
„Natürlich!“
„Und dabei spricht der Baron von einem Opiat!“
„Donnerwetter, Leutnant, jetzt erst wird mir klar, was Sie meinen!“ rief der Kapitän, sich die Hände reibend. „Ja, das ist wahr! Bei wem fanden Sie den Brief?“
„Bei Doktor Berthold.“
„Er soll also ein Opiat liefern, um den Marschall Bazaine zu vergiften.“
„Jedenfalls!“
„Ja, das ist doch so deutlich, daß es gar keines weiteren Beweises und auch keines Verhöres bedarf. Meinen Sie nicht auch, Herr Oberleutnant?“
„Ich bin ganz dieser Ansicht.“
„Nun gut, so geben Sie mir den anderen Brief!“
Der Leutnant reichte ihm das Schreiben. Es war auf ein sehr abgegriffenes Papier geschrieben und in spanischer Sprache abgefaßt. Dabei war die Schrift eigentümlich, daß der Offizier sich alle Mühe geben mußte, sie zu entziffern. Die Zeilen lauteten in deutscher Übersetzung:
„Ich benachrichtige Sie, daß ich mit den Österreichern Frieden geschlossen habe, aber jeden Franzosen niederschießen werde.
Juan Franzisco
Herrscher der freien Cuatocomanchen.“
„Das klingt allerdings gefährlich“, sagte der Kapitän. „Dieser Juan Franzisco ist unser grimmigster Feind.“
„Sein Brief zeigt“, sagte der Oberleutnant, „daß wir von ihm und den Deutschen verraten werden.“
„Bei wem fanden Sie die Zeilen?“
„Bei Doktor Willmann.“
„Er steht also mit diesem Menschen im Bund!“
„Ohne allen Zweifel.“
„Ein todeswürdiges Verbrechen!“
„Und zwei so gefährliche Menschen haben wir in unserer Mitte. Man muß sie sofort unschädlich
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