47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
Verstecke, als das Fackellicht unerwartet von oben in ihre stille Welt schien.
Der Riese stieß Oishi mit einem kräftigen Schlag auf den Rücken nach vorne, die Wachen ließen ihn los, und mit einem Schrei fiel er in die Dunkelheit. Sein Körper schlug mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Der Lichtstrahl, in dem er lag, schrumpfte zu einem Schlitz zusammen, aber er war nicht länger bei Bewusstsein, um zu sehen, wie die Dunkelheit ihn einhüllte.
Oishi öffnete verwirrt die Augen. Um ihn herum herrschten absolute Dunkelheit und Stille, und ein Gestank, von dem er würgen musste – als ob sein schmerzender Kopf nicht schon ausreichte, damit ihm übel wurde.
Götter, was war nur mit ihm geschehen? War er krank? ... Hatte er einen Albtraum?
Kroch da wirklich etwas auf ihm herum?
Als etwas an seiner Hand knabberte, setzte er sich mit einem lauten Fluch auf, der in der Stille widerhallte. Die Ratten krabbelten schnell von ihm herunter und verschwanden in der Dunkelheit.
Ratten?
Er fluchte noch einmal, als die Schmerzen von dem fünfzehn Fuß tiefen Fall und der groben Behandlung durch Kiras Wachen durch jeden Nerv seines Körpers rasten. Dann wurde ihm das überwältigende Ausmaß von Kiras Betrug bewusst.
Gestern war er noch der Burgvogt von Ako gewesen, hatte die zweithöchste Position des Landes inne ... Er war ein Samurai gewesen, der stolz auf seine Ehre und Treue zu seinem Herrn war. Auch angesichts der schmerzhaften Entscheidung, die er zu treffen gehabt hatte. Er hatte das Opfer gebracht, das Fürst Asano von ihm verlangt hatte, und seinem letzten Willen gehorcht.
Aber er hatte sich nicht vorstellen können, dass die einzig wirkliche Wahl, die ihm blieb, eine Unmögliche war. Es hatte keine richtige Antwort auf die Frage geben, was er hatte tun sollen. Der Betrug war so groß, dass es seine ganze Welt auf den Kopf gestellt hatte. Man hatte ihn von den Höhen Akos in die Tiefen des
jigoku
gestoßen.
Weil er die Burg kampflos ausgeliefert hatte, hatte der Shogun Kira befohlen, die Leben seiner Männer zu verschonen, und keine Vergeltungsmaßnahmen gegen Ako zu verüben. Aber er hatte alle verbannt, die Dame Asano war nun Kiras persönliches Eigentum, und das Volk von Ako würde hilflos unter der Knute seines neuen Herrn stehen.
Und so lange Kira ihn am Leben hielt, konnte er für immer hier gefangen bleiben.
Er schob diesen Gedanken von sich. Das war eine Falltür, die in den Wahnsinn führte.
Im Moment beschäftigten ihn nur drei Dinge: Was würden seine Frau und sein Sohn tun? Wie lange wollte Kira ihn gefangen halten? Und könnte er überleben, ohne verrückt zu werden, bis man ihn freiließ ... falls das je geschehen würde.
Nur der letzte dieser Punkte entzog sich völlig seiner Gewalt. Er sah in Richtung des Fensterschlitzes an der gegenüberliegenden Wand, der gerade breit genug war, damit er Luft zum Atmen hatte. Er war viel zu eng, um sich hindurchzuwinden, selbst wenn er ihn hätte erreichen können. In der Außenwelt schien die Sonne, und er konnte einen Kirschbaum sehen. Ein Ast schwankte im Wind, und eine Handvoll Blätter der letzten sterbenden Blüten fiel zur Erde wie Schnee.
Ich frage mich, was ich tun soll
mit dem Rest der Frühlingszeit
...
Er wandte den Blick ab und kämpfte gegen die brennende Trauer an, die in ihm aufstieg, als er sich an die Zeilen aus Fürst Asanos Todesgedicht erinnerte. Es nutzte nichts, etwas zu betrauern, über das er keine Kontrolle hatte. Der Weg des Kriegers lehrte, dass es sein Lebensinhalt war, seinem Herrn bis in den Tod zu dienen – den seines Herrn ... oder seinen eigenen. Wenn sein Herr an einer Krankheit oder hohem Alter starb, wurde es Oishis Aufgabe, dem Erben seines Herrn zu dienen und ihn zu beschützen. Wenn sein Herr durch Verrat oder Betrug starb, war es seine Pflicht, seinen Tod zu rächen.
Giri
und
ninjo
: Er hatte beide nicht vergessen. Die Dame Mika, Fürst Asanos Erbin, wurde von Fürst Kira als Geisel gehalten. Gier und Verrat des fremden
daimyō
waren ebenso für den unrechten Tod von Mikas Vaters verantwortlich wie für seine Einkerkerung. Fürst Kira würde ihm genug zu Essen und Wasser geben, damit er am Leben blieb, da war er sich sicher. Der Shogun hatte Kira verboten, ihn zu töten.
In einem Moment absoluter Klarheit erkannte der gefallene
karō
, dass Kira ein Feigling war: die Art Mann, die einen Gegner lieber indirekt attackierte, als sich ihm in einem ehrlichen Kampf von Angesicht zu Angesicht zu stellen.
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